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Zwischen den Zeilen

Zwischen den Zeilen

Titel: Zwischen den Zeilen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rona Cole
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viel für ein HSV-Mädchen, weißt du?«
     
     

Nüchtern betrachtet
     
    Ben
     
     
    »Oh, welch Glanz in unserer bescheidenen Hütte.« Daniel mustert mich mit einer Mischung aus Erleichterung und Tadel. Ich kann es ihm nicht verübeln, schließlich hab ich ihn heute Morgen versetzt. Ich hab kaum geschlafen. Hab die Nacht bei Josh verbracht und neben ihm wach gelegen. Hab ihn angesehen und mich so schlecht dabei gefühlt wie schon lange nicht mehr. Weil ich ihn belüge und er das eigentlich nicht verdient hat.
    »Sorry«, erwidere ich entschuldigend und widme mich Marlene, die sich, anders als Daniel, von meiner Abwesenheit offensichtlich nicht zurückgesetzt fühlt und mich freudig begrüßt. Warm und rau spüre ich ihre Zunge auf meinem Handrücken.
    »Ich konnte nicht rangehen heute Nacht.« Er hat wohl gegen halb vier, als ich nicht wie verabredet vor der Tür stand, versucht, mich auf dem Handy zu erreichen. Aber ich hab das Gespräch weggedrückt. Josh hat im Halbschlaf irgendwas von Manu genuschelt und suchend mit seiner Hand nach mir getastet.
    »Ist nur Daniel, ich wollte eigentlich mit zum Großmarkt«, hab ich ihm gesagt, ihn ein bisschen fester zugedeckt und ihn sanft auf die Wange geküsst.
    »Hier«, hat er ins Kissen gemurmelt. »Krank.«
    »Natürlich bleib ich hier«, hab ich geflüstert, ihn in meine Arme gezogen und es genossen, als er sich mit einem erleichterten Seufzen an mich geschmiegt hat. Hab ihn im Arm gehalten, seinen Herzschlag gespürt, so nahe an meinem, und versucht, noch ein bisschen zu schlafen. Allerdings mit mäßigem Erfolg. Da waren zu viele Gedanken in meinem Kopf, von denen ich wünschte, ich könnte ihnen entkommen. Weglaufen… wie so oft... Vor mir selbst, der Scham, diesem erniedrigenden Gefühl... und vor der Angst, die in diesem Moment wieder einmal so schwer auf meiner Brust wog, dass ich geglaubt hab, dass sie mich erdrückt.
    Angst, dass ich es niemals lerne und nie so weit sein werde, dass ich es ihm sagen kann. Und Angst, dass er es vielleicht irgendwie bemerkt. In irgendeiner banalen Situation, aus der ich keinen Ausweg finde und aus der ich mich nicht wie so oft herauswinden kann. Wenn es keine Ausreden mehr gibt, weil es so offensichtlich ist. Ben, der nicht lesen kann. Nicht mal einen Einkaufszettel, auf dem Kondome stehen... Ich erinnere mich an das Wort. An das K und das O . Es stand ganz unten... und ich Vollidiot hab's für Codein gehalten...
    Ich hab keine Ahnung, wie ich es ihm sagen soll, und ich hab Angst, dass er mir, wenn ich's ihm wirklich sage, überhaupt nicht glaubt. Dass er glauben könnte, die Wahrheit wäre nur eine lächerliche Geschichte, hinter der ich mich verstecke, weil es da jemand anderen gibt. Und ein wenig verletzt es mich, dass er von mir denkt, er wäre mir nicht genug. Ich liebe ihn. Mehr, als gut für mich ist, und ich würde mir wünschen, ich müsste ihm auch das nicht sagen, weil er es spürt, wenn er neben mir liegt. Aber ich kann, jedes Mal wenn er mich anschaut, nur sehen, dass es nicht so ist.
    Ich hab keine Ahnung, was er sich zusammenspinnt. Die kruden Gedanken in seinem Hirn, die ihm Angst machen, die ich genauso habe. Angst, dass diese Sache mit uns, die sich so verdammt gut anfühlt, dass einem das vielleicht nur einmal im Leben passiert, nicht funktioniert... Weil es sich nach so viel anfühlt in einem drin, dass es einem einfach Angst einjagen muss. Weil man weiß, dass man es, wenn es vorbei ist, nicht aushalten kann, und deswegen so sehr hofft, es ist für immer. Jedenfalls ich hoffe das. Auch wenn ich weiß, dass es am Ende nicht so sein wird. Ich weiß, dass es das nie sein wird für jemanden wie mich…
    Ich will es ihm sagen. Und ich werde es. Wenn es vorbei ist. Denn dass ich mal nicht besonders gut lesen konnte , ist besser, als ihm zu sagen, dass ich es nicht besonders gut kann . Vielleicht werd ich's ihm schreiben. Den ersten Brief in meinem Leben… Auch wenn meine Schrift wohl für immer fürchterlich bleibt.
    »Alles in Ordnung?«, fragend hebt Daniel für einen Moment die Augenbrauen und holt mich aus meinen Gedanken zurück.
    »Hm«, erwidere ich nickend und schiebe mich am Tresen vorbei. »Ich geh mich eben duschen und komm dann gleich runter.«
    Ich muss mich umziehen. Ich trage die Sachen von gestern. Ich hatte nicht vor, über Nacht zu bleiben. Und heute Morgen hat seine Mitbewohnerin eine halbe Ewigkeit das Bad blockiert. Ich war nicht allzu scharf drauf, ihr noch einmal zu

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