Zwischen den Zeilen
meine Lippen und verwickelt mich in einen zahmen Kuss.
»Also, was meinst du?«, fragt er, streicht mit dem Zeigefinger über meinen Nasenrücken und sieht mich treuherzig an. »Ich meine… das ist doch was Ernstes mit uns, oder?«
Ich schlucke. Ehrlich gesagt hab ich nach der Nummer bei Hollister auch schon dran gedacht, ihn zu fragen. Aber dann hab ich beschlossen, es auf später zu verschieben, keine Ahnung wieso.
Womöglich, weil ich dieser Sache zwischen uns, obwohl es sich gut anfühlt und wir uns so nah sind, nicht traue. Es läuft zu gut, um wahr zu sein... und es ist so verdammt ernst, dass es mir Angst macht… davor, dass ich aufwache und er weg ist. Oder dass ich einen Fehler mache und auffliege…
»Erde an Ben?«
»Was? Doch, natürlich«, sage ich schnell.
»Gut. Dann lass uns einen Test machen«, beschließt er. »Mein letzter ist ein bisschen her und wir könnten zusammen hingehen.«
»Zusammen?« Ich hatte es befürchtet. Und eigentlich wäre es kein Problem, denn ich bin mir sicher, dass da nichts ist. So sicher man sich eben sein kann. Bisher hab ich in meinem Leben nur zweimal einen Test gemacht. Einmal vor einer halben Ewigkeit, nach einem leichtsinnigen One-Night-Stand ohne Gummi, von dem meine Prinzipien stammen, und einmal nach einer Weile mit Felix. Den ersten Test hab ich damals anonym gemacht. Das Formular dafür hat Daniel für mich ausgefüllt. Ich war völlig durch den Wind und froh, jemanden dabeizuhaben. Die Woche, bis ich das Ergebnis hatte, war die längste meines Lebens. Daniel hat danach mit mir geschimpft, wieso ich nicht gleich was gesagt hab, weil man dann was machen kann, um eine eventuelle Ansteckung vielleicht noch zu verhindern. Wusste ich damals aber nicht. Ich war erst neunzehn. Und zum Glück ist es ja gut ausgegangen.
Den zweiten hab ich dann bei meinem Hausarzt gemacht. Da musste ich nichts ausfüllen, sondern nur unterschreiben. Eine Unterschrift ist kein Problem. Ein Formular auszufüllen schon. Selbst wenn man, wie damals, einen Fantasienamen eintragen kann. Ich könnte nicht mal meinen eigenen schreiben, ohne dass er Verdacht schöpfen würde. Weil ich lange brauche und meine Schrift nicht die schönste ist.
Und selbst wenn ich es wagen und es in seiner Gegenwart schaffen würde, mich darauf zu konzentrieren, wo ich meinen Vor- und wo meinen Nachnamen eintragen muss, weitere Angaben könnte ich nicht machen. Nicht unter seinen Augen.
Ich kann das nicht, weil ich mich, wenn ich wüsste, dass er mir zusieht, niemals konzentrieren könnte. Keine Kreuze setzen für ein Ja oder ein Nein. Weil ich die Fragen, die dort stehen, nicht lesen kann. Nicht in einem Tempo, wie er es kann. Wie jeder es kann. Nur nicht ich. Vielleicht schaffe ich es in ein paar Wochen… oder Monaten… aber ich weiß nicht, ob er so lange auf mich warten will… und auch nicht, wie ich ihm das erklären soll…
»Nächste Woche?« Die Schlinge um meinen Hals zieht sich immer enger zu. Und fieberhaft überlege ich, wie ich entkommen kann, ohne ihn zu verletzen. Ohne der Typ zu sein, der keinen Test will. Ich will ihn, aber ich kann nicht...
»Wir können ins Casa Blanca gehen. Da ist es kostenlos und lustig.«
»Lustig?« Immer noch kreisen seine Finger zärtlich auf meiner Brust.
»Na ja, man schreibt einen Fantasienamen aufs Formular und wird damit dann aufgerufen. Ich könnte mich unanständiges Mädchen nennen.« Er scheint es auf meine Brust zu schreiben. »Oder Uwe Seeler oder wie sonst irgendein Spieler vom HSV. Und du dich Big Ben, Mr. Bremen oder Long Dong Silver oder… nicht dein Humor?« Er sieht hoch zu mir. Anscheinend kann man mir ansehen, dass ich nicht sonderlich begeistert bin.
»Wieso können wir den Test nicht einfach beim Hausarzt machen?«, schlage ich vor. Damit hätte ich kein Problem. Da muss man nur unterschreiben.
»Weil mein Hausarzt mein Vater ist«, klärt er mich auf. »Und er, wenn ich zu einem Kollegen gehe, die Rechnung kriegt. Ich bin privat versichert. Mein Dad zahlt momentan die Beiträge und reicht den Kram für mich ein… Außerdem glaube ich nicht, dass ich will, dass er über den aktuellen Status unseres Sexuallebens informiert wird, und wenn das meiner Mutter unter die Augen kommt, dann muss ich ihr Sachen erklären, die ich ihr eigentlich lieber nicht erklären will.«
»Verstehe…« Shit!
»Im Casa Blanca ist es anonym«, erklärt er noch einmal. »Man kann einfach spontan vorbeigehen, ohne Termin.«
»Klingt, als hättest du das
Weitere Kostenlose Bücher