Zwischen den Zeilen
schon ziemlich oft gemacht.« Ich klinge vorwurfsvoll.
»Ein paar Mal«, gibt er zu.
»Ein paar Mal?«
»Na ja, so oft jetzt auch wieder nicht«, wiegelt er ab.
»Mal sehen«, weiche ich zögernd aus.
»Möchtest du nicht?«
»Doch«, versichere ich schnell. Schließlich will ich ja wirklich.
»Klingt irgendwie nicht so überzeugt«, wirft er ein.
»Na ja, vielleicht sollten wir damit einfach noch ein bisschen warten.« Ich kann das nicht, noch nicht. Jedenfalls nicht, ohne ihm zu sagen, was mit mir los ist.
»Ist es wegen mir?«, hakt er schüchtern nach. »Ich schlaf nicht mit jedem ohne Gummi. Ich hab nur 'ne ganze Weile ziemlich verzweifelt nach dem Richtigen gesucht. Du hattest dich versteckt in deinem Laden und...« Er richtet sich auf und sieht mich an. Mit diesem Gesicht, das ich schon mochte, damals in der Kirche… als ich niemals gedacht hätte, dass ich ihn je wiedersehe...
»Den Richtigen?« Mein Mund ist ganz trocken und meine Stimme klingt heiser.
»Ja«, flüstert er und presst dann seine Stirn an meine. »Weißt du, ich wollte immer eine Zehn...«
»Eine Zehn?«
»Auf einer Skala von null bis zehn… Ich hab nur nie eine gefunden.« Seine Augen sind ganz nah vor meinem Gesicht und seine wundgeküssten Lippen, die mir verraten, was wir grade getan haben, beben für den Bruchteil einer Sekunde, bevor sie sich zu einem seligen Lächeln verziehen. Einem, das mein Herz noch härter schlagen lässt, als es das in seiner Nähe sowieso schon tut.
»Und eigentlich bist du, streng genommen, auch nur 'ne Neuneinhalb, weil du aus Bremen kommst.« Seine Augen schließen sich und das Letzte, was ich sehe, bevor ich meine Lider ebenfalls senke, sind seine langen, dunklen Wimpern, die flattern. Verdammte Mädchenaugen. Er hat keine Vorstellung davon, was für eine Wirkung er damit auf mich hat.
***
»Alles in Ordnung?«, will Daniel wissen. Wie jeden Montag sind wir auf dem Weg zum Großmarkt. Die Uhr am Armaturenbrett zeigt zwanzig Minuten nach drei.
»Klar.« Teilnahmslos sehe ich aus dem Fenster. Es dämmert bereits. Wenn wir gegen halb sieben zurück sind, ist es vermutlich längst hell.
»Klingst aber nicht so«, stellt er fest. Anscheinend bin ich nicht sonderlich überzeugend.
»Bin nur müde«, behaupte ich. Seufzend nippe ich am heißen Kaffee in meinem Thermobecher und lasse mich ein wenig tiefer in den Beifahrersitz sinken.
»War wohl 'ne lange Nacht?« Daniel grinst wissend.
»Das könnte ich dich genauso gut fragen«, erwidere ich ebenfalls mit einem Grinsen und sehe rüber zu ihm. Ich weiß, dass Martin gestern bei ihm übernachtet hat. Nachmittags hab ich sie dann zurückkommen sehen, vom Spaziergang mit Marlene. Sie haben Händchen gehalten und Daniel sah glücklich aus.
»Es wäre trotzdem nett, wenn du's nicht tun würdest«, sagt er und konzentriert sich dabei etwas übertrieben auf den Verkehr. »Es ist…«
»Es ist schon in Ordnung«, sage ich großzügig. »Martin ist nett. Es ist nichts dabei, wenn ihr miteinander schlaft.«
»Ja, vielleicht. Aber es war seltsam… in unserem Bett und ich weiß nicht, ob ich schon so weit bin«, gibt er zu.
»Bist du in ihn verliebt?«, frage ich nach.
»Ein bisschen«, gesteht er verlegen. »Und ich komme mir für diese Gefühle so fürchterlich alt vor.« Er lacht.
»Vielleicht solltest du dann besser nicht so lange warten, bis du's wirklich bist…«, schlage ich vor.
»Hey!« Drohend schlägt er mit der Hand leicht auf meinen Hinterkopf und ich muss aufpassen, meinen Kaffee nicht zu verschütten.
»Hast du eigentlich mit ihm gesprochen?«, wechselt Daniel nun das Thema. »Mit Josh. Wegen des Kurses.«
Kurz überlege ich, ob ich ihn anlügen soll, aber dann beschließe ich, es nicht zu tun.
»Hat sich nicht ergeben«, gebe ich also zu.
»Verstehe.« Daniels Stimme klingt vorwurfsvoll.
»Ich… Es ist kompliziert«, versuche ich eine Erklärung. Aber natürlich weiß ich selbst, dass das keine Entschuldigung ist. Ich muss mit ihm sprechen. Auch wenn ich Angst davor hab, wie er darauf reagieren wird. Angst vor seiner Enttäuschung und vor allem wohl, dass er mich auslacht. Ich hab's nie zuvor wirklich jemandem gesagt. Und ich hab keine Ahnung, wie ich es anstellen soll. Gestern Nacht, nach der Sache mit dem Test, hab ich kaum ein Auge zugetan. Hab hin und her überlegt, wie ich ein wenig Zeit gewinnen kann, ohne ihn damit zu verletzen. Oder erneut vor den Kopf zu stoßen, wie all diese vielen Male zuvor. Aber ich hab
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