Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters
historischem Sinn als Gastgeber für Johansson und dessen Kollegen fungiert. Es handelte sich um den legendären Chef des FBI, um den Gründer der FBI-Akademie in Quantico, um John Edgar Hoover. Der sieht irgendwem ähnlich, dachte Johansson mit wachsender Gereiztheit, und dabei dachte er nicht an Hoover, denn der ähnelte nur sich selbst.
Eins der Fotos wirkte weniger förmlich. Der Oberst war darauf vielleicht Mitte Vierzig und mit einem etwas älteren Mann abgebildet, beide trugen doppelreihige gestreifte Anzüge, hatten einander die Arme um die Schultern gelegt und lächelten strahlend in die Kamera. Sommer und Sonne waren auch zu vermel- den, Stockholms Wasser glitzerte, im Hintergrund ragte das Schloss auf. Das muss vor dem Grand Hotel sein, dachte Johansson überrascht und drehte gewohnheitsmäßig das Foto um. Dort fand er einen kurzen handschriftlichen Text: »Kameraden im Feld, Stockholm, Juni 1945.«
»Meine Heimatstadt«, sagte Johansson entzückt, obwohl er doch in der Wildnis im Norden Näsäkers geboren war, und reichte Sarah das Foto.
»Das ist Stockholm. Im Hintergrund sieht man das Königs- schloss.«
»Very nice«, sagte Sarah höflich. »Wissen Sie, wen er da umarmt?«, fragte sie dann und gab ihm das Foto zurück.
Nein, den kenne ich nicht, dachte Johansson und schüttelte den Kopf.
»Keine Ahnung.«
»Aber Hoover haben Sie erkannt«, sagte sie neckend. »Tatsache ist, dass dieser Mann hier zu Lande ebenso legendär ist wie Hoover. Er hieß Bill Donovan und wurde der Wilde Bill genannt. Er war der erste Chef der Organisation, aus der sich dann nach und nach die CIA entwickelte, während des Krieges hieß sie allerdings noch OSS, Office of Strategie Services. Ich glaube, CIA heißt sie erst seit 1947.«
Ach so, dachte Johansson und nickte. Wem ähnelt er denn bloß?, dachte er. Auf jeden Fall nicht Wild Bill Donovan, obwohl er und Onkel Oberst fast gleich aussahen.
Auf der Treppe in den ersten Stock fiel es ihm dann ein. Der sieht ja aus wie dieser Arsch Backstroem, dachte Johansson überrascht. Abgesehen vom Altersunterschied könnten sie eineiige Zwillinge sein.
»Special Agent Backstroem«, sagte Johansson laut vor sich hin.
»Verzeihung«, sagte Sarah.
»Ach, nichts«, sagte Johansson.
Seltsam, wie oft einem Dinge auf der Treppe einfallen, dachte er.
Im ersten Stock gab es eine Art Diele, dahinter einen engen Flur mit einer Reihe von Türen, die zu einem halben Dutzend Schlafzimmern von unterschiedlicher Größe führten. Außerdem gab es eine Toilette und ein größeres und ein kleineres Badezimmer.
»Ich dachte, ich fange mit dem Zimmer des Obersten an«, sagte Sarah.
Des Obersten? Des Professors? Ein Mann mit mindestens zwei Saiten auf seiner Leier, dachte Johansson.
Oberst John C. Buchanan hatte natürlich das größte Schlafzimmer des Hauses bewohnt. Außerdem hatte er ein eigenes Badezimmer gehabt. Die Möbel vermittelten denn auch ein Bild des Mannes, der dort gehaust hatte, wenn auch ein arg begrenztes. Vor der einen Querwand stand ein schmales, hohes Bett mit einem Rahmen aus Mahagoni, dessen Matratze im Gegensatz zur Bettwäsche noch vorhanden war. Auf beiden Seiten des Bettes standen Nachttische aus dem gleichen Holz, auf dem rechten gab es eine altmodische eiserne Leselampe mit einem Schirm aus Pergament.
Auf der gegenüberliegenden Seite standen ein englischer Schreibtisch und ein dazu passender Schreibtischstuhl mit hohem Rücken, breiten Armlehnen und grünledernem Bezug. An der Wand über dem Schreibtisch war ungefähr ein Dutzend hellerer Felder zu sehen, wo offenbar Bilder oder Fotos von unterschiedlicher Größe gehangen hatten, die Tischplatte war, bis auf eine silberne Schreibgarnitur, gänzlich leer.
Das Zimmer besaß zwei hohe Fenster zur Straße, durch die Johansson Sarahs schwarzen Volvo sehen konnte. Vor den Fenstern waren schwere dunkle Portieren angebracht. An der Flurwand stand ein grüner Safeschrank aus den siebziger Jahren mit Ziffernschloss, dessen solide Tür angelehnt war. Das Innere war leer.
Leer, dachte Johansson und sah Sarah an.
»Sie nennen ihn den Obersten«, sagte Johansson, »aber Sie haben doch gesagt, dass er Universitätsprofessor war.«
»Ja«, sagte Sarah. »Rein formal war er das auch, Professor, meine ich. Er hat schon vor dem Krieg eine Doktorarbeit in Staatswissenschaft geschrieben. Ich habe sie nie gelesen, mein Vater aber wohl, nachdem ich lohn kennen gelernt hatte, und danach war mein Vater einen ganzen Monat lang
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