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Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters

Titel: Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif GW Persson
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verzeichnet.«
    Ach so, dachte Johansson, der seit mehr als zwanzig Jahren bei der Polizei arbeitete.
    »A true member of the homoerotic society«, fasste Sarah die Lage zusammen. »Natürlich hat er auch Schwule gehasst.«
    »Hatte John irgendwelche Freunde?«, fragte Johansson.
    »Jede Menge«, sagte Sarah und kicherte.
    John hatte in seiner eigenen kleinen Welt gelebt, »the John- World«, und dort war kein Platz für Freunde gewesen. Es gab nur große und kleine Schurken, Spione und Terroristen, und da er selbst einer der wenigen noch vorhandenen weißen Ritter war, war sein ganzes Leben eigentlich ein einziger Auftrag.
    »Er musste sie entlarven und dafür sorgen, dass sie im Knast landeten. Das ist für einen wie John der Sinn des Lebens. Aber er mochte Männer wie dich. Große, starke Bullen, und wenn du ihn kennen gelernt hättest, dann bin ich sicher, dass du ihn innerhalb von fünf Minuten in den Hintern getreten hättest.«
    Ach, so einer, dachte Johansson, der sein ganzes erwachsenes Leben als Polizist verbracht und doch noch keinen in den Hintern getreten hatte, denn das hatte damals sein bester Freund, Bo Jarnebring, für ihn mit übernommen.
    »Ich bin ganz sicher, dass er deshalb Journalist geworden ist«, sagte Sarah.
    John hatte mehrere Jahre als Journalist gearbeitet, zwei davon als geschätzter Reporter eines lokalen Fernsehsenders.
    »Er sah so gut aus, dass niemand auf seine Worte achtete«, erklärte Sarah. »Aber danach wuchs sein Ehrgeiz, und er ging als ermittelnder Reporter zu unserer größten Lokalzeitung, und danach landete die Scheiße dann im Ventilator.«
    Dass die Scheiße im Ventilator gelandet war, beruhte laut Sarah vor allem auf dem Restaurant, in dem sie hier saßen, und dafür war nun eigentlich nicht John verantwortlich gewesen, sondern sein Onkel, der Oberst. Das Restaurant gehörte einer vietnamesischen Familie, die gegen Ende der siebziger Jahre als Bootsflüchtlinge ins Land gekommen war. In ihrer neuen Heimat war sie rasch zu geschäftlichem Erfolg gelangt und besaß derzeit etwa zwanzig Betriebe in Albany und Umgebung, Restaurants, Waschsalons, Lebensmittelläden, aber auch einen Baumarkt und ein größeres Motel.
    Zu Beginn der achtziger Jahre hatten sie das Restaurant eröffnet, in dem Johansson und Sarah gerade saßen, nur zwei Steinwürfe vom Haus des Obersten entfernt, weshalb dieser dann endgültig ausgerastet war. Die Vietnamesen waren der Feind und als Feind seiner Ansicht nach das pure Pack. »Keine richtigen Krieger, sondern hinterhältige Gangster«, und die an die zweihunderttausend in die USA Geflohenen waren entweder kommunistische Infiltratoren oder schnöde Deserteure, die man eigentlich sofort erschießen müsste. Zuerst hatte er in der Nachbarschaft eine Unterschriftenliste herumgereicht, doch das Interesse der Nachbarn hatte zu wünschen übrig gelassen, während im frisch eröffneten Restaurant immer weniger freie Tische zu finden waren. Die Lage war also äußerst kritisch, und der Oberst hatte seinen Neffen für die gute Sache rekrutiert.
    »Was leider nicht so schwer war«, sagte Sarah und seufzte. Auf jeden Fall hatte John die Zeitung dazu bringen können, eine Serie von Artikeln zum Thema »Wir haben die vietnamesische Mafia am Hals« zu veröffentlichen. Nach zwei Artikeln wurde die Serie jedoch gestoppt, und um die Sache kurz zu machen, die Zeitung hatte eine Menge Geld bezahlen müssen, und John war gefeuert worden.
    »Stimmte denn irgendwas von dem, was er da geschrieben hat?«, fragte Johansson, milieugeschädigt, wie er nun einmal war.
    »Kann ich mir nicht vorstellen«, sagte Sarah. »Das war sicher wieder so eine typische John-Sache.«
    Danach hatten sie zum Nachtisch Obst bestellt, aber als Sarah dann auch grünen Tee verlangt hatte, hatte Johansson mehr als nur ein leichtes Zögern verspürt.
    »Ob die hier wohl auch Kaffee haben?«, fragte er und senkte gleichzeitig die Stimme.
    »Aber sicher doch. Vietnamesen sind keine Dummköpfe«, sagte Sarah fröhlich. »Ich würde einen doppelten Espresso nehmen.«
    Sie ist wirklich süß, dachte Johansson. Aber vielleicht auch ein wenig zu clever.
    Johansson fuhr den schwarzen Volvo zurück zu Sarah. Er hatte zwar zwei Bier getrunken, aber da sie fast drei Stunden im Restaurant gesessen hatten und ihm so etwas zu Hause nie auch nur im Traum einfallen könnte, war das hier wohl nicht die Welt. Bei Sarah angekommen, setzten sie sich ins Wohnzimmer und rede- ten noch eine Weile. Sie fragte, ob er

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