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Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters

Titel: Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif GW Persson
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total außer sich. Wie sonst nur jedes Jahr, wenn der Nobelpreis in der Sparte Wirtschaft verliehen wird.«
    Jetzt lächelt sie wieder, dachte Johansson.
    »Aber eigentlich war er wohl Offizier«, sagte Sarah. »Das wurde er bei Kriegseintritt der USA, und ich glaube, er ist irgendwann gegen Ende der sechziger Jahre ausgeschieden und bekam danach diesen Posten an der Universität. Es war ein offenes Geheimnis, dass er den zum Dank für seine militärischen Dienste erhalten hat. Für ihn wurde damals wohl ein neuer Lehrstuhl eingerichtet, über europäische Gegenwartsgeschichte oder so, und seine Vorlesungen erregten eine gewisse Aufmerksamkeit, wenn man sich freundlich ausdrücken will, und er wurde immer nur der Oberst genannt.«
    »Was hat er beim Militär gemacht?«
    »Nachrichtenoffizier«, sagte Sarah und nickte energisch. »Er hat ganz einfach für die CIA gearbeitet oder die OSS, wie das während des Krieges hieß. Er war in Europa eingesetzt, unter anderem in Ihrem Heimatland. Er war mehrere Jahre an der Botschaft in Stockholm. Sie haben ja unten im Wohnzimmer das Foto gesehen.«
    »Sie sind sich ganz sicher, dass er für die CIA gearbeitet hat?«, fragte Johansson.
    »Ganz sicher«, sagte Sarah und zuckte mit den Schultern. »Das haben jedenfalls alle behauptet. John redete dauernd darüber, und welchen Grund sollte er denn sonst gehabt haben, einen Typen wie Wild Bill Donovan zu umarmen?«
    Und warum sind sie dabei fotografiert worden?, überlegte Johansson. Das muss in diesen Kreisen doch fast schon als Dienstvergehen gelten.
    »Sind Sie ihm je begegnet?«
    »Ich bin ihm mehrere Male begegnet, als ich mit John zusammen war. Er war ebenso wenig von unserem Verhältnis begeis- tert wie mein Vater, in dem Punkt stimmten sie immerhin überein.« Sarah lächelte und schüttelte den Kopf. »Er konnte mich nicht leiden«, fügte sie hinzu.
    »Warum nicht?«, fragte Johansson. »War er genauso dämlich wie sein Neffe?«
    »Weil ich Jüdin bin«, sagte Sarah.
    »Ich verstehe«, sagte Johansson. Was zum Teufel soll man denn darauf antworten, dachte er.
    Danach hatten sie sich Johns Zimmer angesehen. Es war um einiges kleiner und besaß kein Bad, aber es war nach denselben Grundsätzen möbliert, wenn auch ohne Safe und ohne Portieren, dafür aber mit Fernseher, Video und Radiorekorder. Alles zeigte, dass das Zimmer noch vor kurzem bewohnt gewesen war. Und zwar von einer nicht übermäßig ordentlichen Person.
    »Aufräumen war nie Johns starke Seite«, teilte Sarah mit.
    Das ist nicht das Problem, dachte Johansson. Wo gibt es Spuren des Menschen, der hier gehaust hat?
    An der Wand über dem Schreibtisch hing ein altes Ölgemälde, das einige auf einer Wiese grasende Pferde darstellte, bestimmt ein Erbstück des Onkels und als Kunstwerk von äußerst zweifelhaftem Wert. Außerdem gab es einige gerahmte Plakate, das Interessanteste davon war ein in körnigem Gegenlicht aufgenommenes Bild einer jungen und verletzlichen Marilyn Monroe, die sich über ein Balkongeländer beugte.
    Auf dem Nachttisch stand ein Radiowecker. Auf dem Schreibtisch lagen die Dinge, die auf Schreibtischen eben liegen. Ein schmutziger Kaffeebecher mit Büroklammern, Heftklammern, Münzen und allerlei Kugelschreibern, eine billige Armbanduhr mit zerfetztem Armband, Schreibmaschinenpapier und Briefumschläge. Eine hohe und verstellbare Tischlampe war an einer kräftigen Eisenplatte befestigt. Es gab einige Taschenbücher, allesamt Kriminalromane oder Thriller. Aber es gab kein Bücherregal, keinen Terminkalender, keine Notizbücher, keine sorgfältig geführten Ordner mit Fotos, keine privaten Videos oder Tonbänder. Rein gar nichts.
    Und so sah es auch in dem großen braunen Kleiderschrank aus, der an der Wand gegenüber stand: Jacken, Jeans und Schuhe, Hemden, Unterhemden, Unterhosen und Socken, alles wild durcheinander, gewaschen und benutzt. Auf dem Boden stand eine Golftasche mit einem halben Dutzend Schlägern, zwischen den Schlägern steckte ein kurzläufiges halb automatisches Schrotgewehr vom Kaliber 12, Marke Remington Peacemaker. Geladen, mit vollem Magazin und sicherheitshalber mit einer weiteren Patrone im Lauf.
    »Was hat er wohl damit gemacht?«, fragte Johansson, zog die Patrone aus dem Lauf und sicherte die Waffe.
    »Ich weiß nicht«, sagte Sarah und schüttelte den Kopf ohne die geringste Andeutung eines Lächelns. »So war er eben. Nehmen Sie das bitte weg.«
    Am Ende hatten sie eine Runde durch das ganze Haus gedreht. Sie

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