Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters
Wein, Whisky oder etwas anderes trinken wolle, aber er lehnte ab. Warum, wusste er selber nicht so recht, und deshalb kam es dann auch, wie es kommen musste. Schon nach sehr kurzer Zeit versandete das Gespräch. Sie zeigte ihm sein Zimmer, wünschte ihm eine gute Nacht, stellte sich auf Zehenspitzen und gab ihm einen leichten Kuss auf die Wange, lächelte zugleich und nickte, und so war es dann eben.
Johansson putzte sich die Zähne, zog seine neue amerikanische Unterhose an und stieg in das Bett ihres Vaters, das groß und hart genug für seine Bedürfnisse war. Fünf Minuten später schlief er, auf der rechten Seite, mit dem Arm unter dem Kissen, wie er es zu Hause auch immer machte, doch ohne dass er den Rat seines großen Bruders befolgt hätte. Was hätte das auch für einen Eindruck gemacht, im Bett ihres Vaters, dachte Johansson noch, dann war er schon weg.
X
Frei fallen wie im Traum
Stockholm im November
Trotz allem verspürte Berg eine gewisse Zuversicht, sogar eine gewisse wachsende Zuversicht. Diese Geschichte mit Krassner war natürlich nicht so gut, aber bisher war nichts daraus erwachsen, was direkten Anlass zur Besorgnis gegeben hätte. Das, was er von Waltin gehört hatte, wies ja wohl eher auf das Gegenteil hin. Der Typ nahm offenbar Drogen, und wenn man die Menge bedachte, die er gekauft hatte, dann wäre es nicht ganz unmöglich – wenn das nötig sein sollte und wenn es sich herausstellte, dass er über wirklich wichtige Geheimnisse verfügte und die Sache doch noch an die Öffentlichkeit käme dass Polizei und Staatsanwaltschaft ihn den Medien als zynischen Drogendealer und nicht nur als normalen Joints rauchenden Akademiker verkaufen könnten. In solchen Fällen ging es ja nicht darum, was die Wahrheit war, sondern wer etwas behauptete.
Waltin und dessen Mitarbeitern zufolge wies auch noch sehr vieles andere daraufhin, dass Krassner nicht ganz bei Verstand war. Überspannt, misstrauisch, fast schon paranoid, und das waren wohl kaum Eigenschaften, die seine Sinne schärften, wenn sein Onkel wirklich zu redselig gewesen war und dieses Gerede für Berg und die Interessen, die er zu schützen hatte, Konsequenzen mit sich führen könnte. Man muss sich davor hüten, bei helllichtem Tag Gespenster zu sehen, sagte sich Berg, und damit fing auch er an, die Sache nicht mehr so pessimistisch zu betrachten.
Bestenfalls konnte diese Geschichte Berg und seinem Dienst vielleicht zum Vorteil gereichen. Sie hatte bereits dazu beigetragen, seine Beziehungen zum Sonderbeauftragten des Premiermi- nisters zu normalisieren, und das war schon gut genug. Dass dieser Fortschritt darauf beruhte, dass der Sonderbeauftragte Berg im Moment dringender brauchte als Berg ihn, war kein Grund zum Wehklagen. Schließlich gab ihm das die Gelegenheit, in die Offensive zu gehen und hoffentlich verlorenes Terrain zurückzuerobern. Bei der ersten Besprechung im November wollte Berg deshalb seinen Auftraggebern gegenüber zwei Themen zur Sprache bringen, und beide waren sorgfältig ausgesucht worden. Von ihm selber natürlich.
Doch nach der kurzen einleitenden Lagebeschreibung war er leider nicht weitergekommen. Zuerst hatte er die andauernde Untersuchung über antidemokratische Elemente innerhalb von Polizei und Militär erwähnt. »Es geht nicht schnell, das gebe ich als Erster zu, aber es geht vorwärts«, sagte Berg und nickte zuversichtlich. Keiner seiner Auftraggeber hatte irgendwelche Fragen gestellt oder Einwände erhoben.
Danach kam etwas über die Jugoslawen – »im Moment scheint die Lage ruhig zu sein« –, gefolgt von dem üblichen Mantra über die Kurden, und dabei war der Minister zum Leben erwacht, und am Ende wäre doch noch fast alles schief gegangen. Obwohl Berg sich solche Mühe gegeben hatte.
»Dieser Kudo«, sagte der Minister. »Was macht der denn so? Von dem haben wir ja schon länger nichts mehr gehört.«
Ja, Gott sei Dank, dachte Berg, ohne auch nur eine Miene zu verziehen.
»Das läuft alles nach Plan«, sagte Berg. »Ich habe sie gebeten, etwas tiefer in diese besonderen ethnischen Aspekte einzutauchen, was … ja, was ihre Kommunikation betrifft, um es mal so zu sagen. Wie sie geheime Mitteilungen austauschen und so weiter. Denn da stehen wir oft vor schwierigen Interpretationsfragen.«
»Ja, es wäre interessant, sie einmal kennen zu lernen«, sagte der Minister. »Ich meine, diesen Kudo und seinen nächsten … wie heißt er noch …«
»Bülling«, warf Berg rasch
Weitere Kostenlose Bücher