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Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters

Titel: Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif GW Persson
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sonst.
     
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    Schon seit vierzehn Tagen plante Waltin einen Einbruch, und es sollte nicht sein erster sein. Seinen ersten Einbruch hatte er mit fünfzehn Jahren absolviert, als er noch die Realschule besucht hatte. Und wie auch heute wieder hatte er damals nichts stehlen wollen. Er wollte sich nur umschauen. Er war bei einem Klassenkameraden eingebrochen, der während der Frühlingsferien mit seiner Familie verreist war. Es war nicht besonders schwer gewesen. Die Wohnungsschlüssel hatte er sich schon lange vorher besorgt, und er hatte seinen Kumpel mehrere Male zu Hause besucht und kannte sich in der Wohnung deshalb aus. Eigentlich interessierte Waltin sich für die Mutter des anderen. Eine kleine, schlanke, rassige Schönheit ohne irgendeine Ähnlichkeit mit diesem Schwein, das seine eigene Mutter war.
    Es war ein fantastisches Erlebnis gewesen. Stundenlang war er durch die große, stumme, dunkle Wohnung gewandert. Er hatte Plastikhandschuhe getragen, hatte sich vorher in einem Hobbyladen eine praktische kleine Taschenlampe gekauft, die aussah wie ein Kugelschreiber, und hatte fast die ganze Zeit einen Ständer gehabt. Er war überaus systematisch vorgegangen und hatte nicht die geringste Spur hinterlassen. In einem Fotoalbum im Schlafzimmer der Eltern hatte er endlich das Gesuchte gefunden. Und zwar ein Foto von der Mutter des Kumpels. Splitterfaser- nackt stand sie da und lächelte aufs Schamloseste in die Kamera, vermutlich, wie der Hintergrund annehmen ließ, vor dem Ferienhaus der Familie im Schärengürtel, denn auch dort war er schon einmal gewesen. Zugleich war das Bild eine große Enttäuschung. An der Hand hielt die Frau seinen Klassenkameraden, der zehn Jahre zuvor offenbar wie ein kleines Schwein ausgesehen hatte, und außerdem waren ihre Brüste viel größer als in seiner Vorstellung. Jedenfalls waren sie das damals gewesen.
    Zuerst hatte er das Foto trotzdem behalten wollen, um das kleine Schwein wegzuschneiden und eine Kopie vom Rest zu machen, die er ihr dann anonym zusenden wollte, mit einigen wohlformulierten Zeilen, in denen er andeutete, dass es noch mehr und Schlimmeres gab und dass sie sich vielleicht treffen sollten … aber diese Brüste waren in ihrer Greifbarkeit viel zu abstoßend, und deshalb ließ er das Foto im Album stecken, und während er wichste, versuchte er das kleine Schwein und die Brüste mit den Fingern der linken Hand zu verdecken. Das ging ziemlich gut, auch wenn es eine Weile dauerte, und als er fertig war, hatte er Schwein und Brüste großzügig mit Sperma eingeschmiert.
    Beim Verlassen der Wohnung steckte er einige goldene Schmuckstücke und ein paar Flaschen ausgezeichneten französischen Weins ein. Die Schmuckstücke hatte er nach und nach versetzt und dafür ordentlich kassiert. Den Wein hatte er einsam in der Abgeschiedenheit seines Zimmers genossen, während sein Mütterchen wie immer im Nebenzimmer im Sterben lag. Alles wies darauf hin, dass er die Sache mit Bravour gemeistert hatte. Offenbar war sein heimlicher Besuch nicht einmal bemerkt worden. Das Schwein hatte sich verhalten wie immer, ebenso nuschelnd und aufdringlich, und wenn es von dem Einbruch ge- wusst hätte, dann hätte sicher die ganze Schule noch vor der ersten Pause davon erfahren.
    Aber das war lange her. Jetzt beschäftigte er sich nur noch mit legalen Einbrüchen, und seine professionelle Kapazität war noch nie von den wenigen in Frage gestellt worden, die die Ehre hatten, ihm bei der praktischen Ausführung zu helfen. Aber diesmal hatte er kein gutes Gefühl. Zum einen war er nicht sonderlich motiviert. Was sollte so einer wie Krassner denn eigentlich zu bieten haben? Bei einer Wette hätte er nicht eine Krone auf diesen Trottel gesetzt. Zum anderen war es keine einfache Aufgabe. Alarmanlagen, Detektoren und Überwachungskameras waren das eine, die mochten so ausgefeilt sein, wie sie wollten, das steigerte das Vergnügen nur, aber sieben wachsame junge Leute, die so eng aneinandergedrängt wohnten wie in einem Schuhkarton, waren etwas ganz anderes und siebenmal schlimmer.
    Es war also notwendig, sie aus dem Haus zu locken. Um den Neger würde die kleine Jeanette sich kümmern, auch wenn es Waltin überhaupt nicht passte, dass sie zu keiner besseren Lösung gelangt waren. Auch die fünf anderen würden sie wohl irgendwie loswerden können. Zwei wollten ihre Eltern besuchen, ein Dritter seine Freundin. Zwei wollten zu Hause bleiben und zumindest ein wenig in die Bücher schauen, ehe sie

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