Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters
seinen Augen«, fasste Eriksson die Lage zusammen, als sie sich an diesem Abend mit Waltin traf.
»Er kann nichts wissen«, sagte Waltin.
»Nee«, sagte Jeanette, »aber ich glaube, das interessiert ihn überhaupt nicht.«
»Du siehst nicht gerade aus wie eine typische Polizistin«, sagte Waltin mit väterlichem Lächeln. »Er will dich auf die Probe stellen.«
»Sicher. Er will mich auf die Probe stellen, obwohl ich so aussehe«, betonte Eriksson. »Und das sagt doch allerlei über ihn.«
»Du musst in der Küche sitzen? Eine andere Möglichkeit gibt es nicht?«
»Nein.« Jeanette schüttelte den Kopf. »Nicht, wenn ich an seiner Tür vorbeigehen will, damit ich versuchen kann zu hören, was er gerade macht.«
»Bald ist es vorbei«, sagte Waltin und zeigte alle seine weißen Zähne. »Und keine hätte das so gut gemacht wie du.«
Es gibt noch einen Grund, um in der Küche zu sitzen, dachte Kriminalassistentin Eriksson, aber den willst du sicher nicht hören, und wo es doch bald vorbei sein wird, muss ich damit leben.
Der Hauptgrund, aus dem sie in der Küche saß, war Daniel oder M’Boye, wie sie ihn Waltin und den anderen Kollegen gegenüber nannte. Ob es nun bald vorbei sein würde oder nicht, jedenfalls kannte sie Daniel nun schon seit fünf Wochen, und er war ein ganz normaler junger Mann, dem sie höchstens einen leichten Kuss gab und den sie ab und zu umarmte, obwohl sie sich schon über zwanzigmal getroffen und viele Stunden auf seinem Zimmer verbracht hatten, wo sie sich mit allem zwischen Himmel und Erde beschäftigten, nur nicht mit dem, was am allernächsten gelegen hätte.
Er muss mich doch für total bescheuert halten, dachte Eriksson. Was für ein Glück, dass er so ist, wie er ist.
Daniel war nicht nur groß, stark, gut aussehend und begabt. Er war außerdem lieb und wohlerzogen, und so wie er begriffen hatte, dass Jeanette keine Schwedin wie aus dem Klischee war, hatte er noch dazu eine werbende und ausdauernde Seite seiner Persönlichkeit mobilisiert. Aber trotzdem hatte Kriminalassistentin Eriksson sich wirklich wie ein Biber abmühen müssen, um nicht den Körperteil zu benutzen, den Daniel – in einem freudianischen Moment, in dem sogar er den festen Boden unter den Füßen verloren hatte – als ihren »kleinen Biber« bezeichnete. Jeanette gefiel dieser Einsatz gar nicht. Sie nutzte einen netten Menschen aus, dem sie wichtig war. Wenn die Luft in Daniels Zimmer dick wie Mayonnaise wurde, rettete sie sich durch die Flucht in die Gemeinschaftsküche, und ihre Ausreden dafür waren nicht einmal mehr weit hergeholt, sie waren noch schlimmer, aber zum Glück würde ja bald alles vorbei sein. Dann würde sie aus seinem Leben verschwinden, und er würde nach Südafrika zurückkehren und sein Leben weiterleben, und hoffentlich würde sie darin keine allzu tiefen Spuren hinterlassen.
Erst am späten Donnerstagabend hatte Forselius bei Waltin angerufen, und danach hatte Waltin sich sofort an die Details seines Alternativplans gemacht. Berg hatte sich nachmittags bei ihm gemeldet, und da hatte er gesagt, alles weise eher auf eine Festnahme wegen Drogenbesitzes hin, da Forselius nichts von sich hören lasse. Berg schien sich mit dieser Vorstellung versöhnt zu haben. »Aha«, hatte er nur gesagt. »Ist vielleicht auch gut so.«
Aber dann rief Forselius an und klang aufgeregt und verschwörerisch.
»Ja, hallo, ich bin das«, sagte Forselius in Waltins abhörsicherer Leitung.
Ja, hallo, du alter Miesling, dachte Waltin. Rufst einfach mitten in der Nacht an und redest wie der Dritte Mann.
»Nett, von Ihnen zu hören«, sagte Waltin höflich.
»Ich wollte nur sagen, dass alles nach Plan läuft«, sagte Forselius. »Ich habe eben mit ihm telefoniert.«
»Wie schön«, sagte Waltin herzlich. »Ich lasse von mir hören.«
Ob ich wohl Berg anrufen und ihm sagen sollte, dass wir doch auf Plan A zurückgreifen?, überlegte Waltin. Das hat Zeit, be- schloss er dann und entschied sich dafür, Hedberg das Startsignal zu geben. Schließlich musste der die Hauptlast tragen, und er wollte ihn nicht unnötig warten lassen.
Mein bester Mitarbeiter, dachte Waltin mit Wärme. Hedberg, der nie ein Wort sagte, der aber immer genau das tat, was von ihm verlangt wurde. Ab und zu kam er Waltin fast vor wie ein Bruder. Als sei Hedberg der Bruder, den er niemals gehabt hatte. Komisch, dass die Kollegen so viel Scheiß über diesen Mann reden, dachte Waltin.
XI
Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der
Weitere Kostenlose Bücher