Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters
Eriksson.
»Okay«, sagte Waltin. »Dann machst du folgendes. Du gehst ein Stück Richtung Stadt, dann kommst du mit dem Taxi her, und dann reden wir in Ruhe weiter.«
Was zum Henker kann da passiert sein?, überlegte Waltin.
Während Waltin auf die kleine Jeanette wartete, machte er sich ein wenig frisch. Er wusch sich Hände, Gesicht und Achselhöhlen, putzte sich die Zähne und übersprühte den möglicherweise noch vorhandenen Whiskygeruch. Dann zog er sich ein frisches Hemd an, ein lockeres und lässiges Teil aus cremefarbenem Leinen, dessen Brusttasche in blauer Seide mit seinen Initialen bestickt war. Und während er sein Gefieder putzte, dachte er die ganze Zeit scharf nach.
Offenbar bestand die Gefahr, dass die Scheiße im Ventilator gelandet war. Außerdem stieß er auf mehrere Dinge, die keinen Sinn ergaben. Hedberg zufolge, der ungefähr um Viertel nach acht aus der von Waltin für ihn besorgten Wohnung angerufen hatte, war der Auftrag problemlos und zwischen sieben und etwa einem Viertel vor acht durchgeführt worden. So über den Daumen gepeilt. Es wird sich schon alles finden, dachte Waltin.
Laut Göransson und Martinsson, diesem doppelten Elend, gegen das er ganz schnell etwas unternehmen musste, hatte Krassner schon um zwanzig vor sieben Forselius’ Haus in der Sturegatan betreten, und als sie dreieinhalb Stunden später nach Hause geschickt wurden, war er offenbar noch immer dort.
Wirklich überaus merkwürdig, dachte Waltin, da er nach Aussage der Stockholmer Polizeizentrale aus einem Fenster im fünfzehnten Stock des Studentenwohnheims Nyponet im Körsbärsvägen gefallen war, um fünf Minuten vor acht und ungefähr einen Kilometer von der Wohnung entfernt, in der er angeblich noch immer mit einem verwirrten alten Miesling aus den Tagen des Kalten Krieges herumlaberte. Die Zeit- und Ortsangaben waren wasserdicht, da er sie selber überprüft hatte, natürlich um einige Ecken. War Krassner überhaupt bei Forselius gewesen? Das Einfachste wäre sicher, ihn direkt zu fragen, dachte Waltin, aber das hatte noch Zeit. Als er in seinen Überlegungen so weit gediehen war, wurde er vom diskreten Brummen seiner Gegensprechanlage geweckt. Die kleine Jeanette, dachte Waltin und fühlte sich belebt und tatendurstig.
*
Herrgott, dachte Jeanette verwirrt, als sie sich in Waltins Wohnzimmer umsah. Wie kann ein Polizist sich nur eine solche Wohnung leisten? Auch, wenn er Leitender Polizeidirektor ist.
»Wie geht’s dir denn?«, fragte Waltin. Er sah sie an, mit einem leichten Lächeln, aber mit einem ernsten Unterton und einer teilnahmsvoll gerunzelten Stirn.
»Ist schon gut«, sagte Jeanette und nickte. »Dass er verrückt war, war mir ja schon klar. Aber dass er so verrückt wäre, aus dem Fenster zu springen, das hätte ich doch nicht erwartet.«
»Darüber reden wir später«, sagte Waltin beruhigend. »Möchtest du etwas essen?«
»Nein. Ich habe vorhin gegessen.«
»Dann darf ich dir vielleicht etwas zu trinken anbieten? Ein Glas Wein?« Waltin musterte sie mit demselben besorgten Lächeln.
»Ein Glas Wein wäre schön. Wenn du auch eins nimmst.«
»Das tut uns sicher beiden gut«, sagte Waltin. Und dann können wir endlich zur Sache kommen, du und ich, dachte er.
Eine Viertelstunde später ergab sich langsam ein Bild. Die kleine Jeanette saß mit angezogenen Beinen auf seinem großen Sofa, sie war schon bei ihrem zweiten Glas Rotwein angelangt. Sie wirkte konzentriert, aber auch verletzlich und ein wenig resigniert, auf eine zugleich ansprechende und aufreizende Weise.
»Wenn ich das richtig verstanden habe, dann hast du dich also um kurz nach sieben mit M’Boye in diesem Studentenlokal getroffen. Danach geht ihr zu einem Restaurant in der Birger Jarlsgatan. Sitzt dort zwei Stunden beim Essen und kehrt zurück auf sein Zimmer im Studentenwohnheim. Dort trefft ihr so ungefähr um halb zehn ein.«
Waltin sah sie aus sanften, fragenden Augen an. Was immer du dort noch zu suchen hattest, du kleine Schlampe, dachte er.
»Ja«, sagte Jeanette und nickte. »Und dort sind wir auf die Stockholmer Kollegen gestoßen. Die wollten gerade gehen, aber Dan … M’Boye explodierte und wollte wissen, wer sie waren und was sie überhaupt wollten. Er hatte wohl nicht begriffen, dass es Polizisten waren. Ich hatte schon Angst, er würde auf sie losgehen.« Jeanette nickte, wie um sich selbst zu bestätigen, und trank einen Schluck Wein.
»Und was haben die Kollegen gesagt?«, fragte
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