Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters
handelte sich um etwa hundert Bilder, vergrößert auf das Format A 4 und von hervorragender Qualität. Ein Dutzend davon zeigte verschiedene Teile der Einrichtung aus verschiedenen Winkeln. Alles war verkommen und schmutzig, so ungefähr wie die Drogenlöcher, die er in seiner Zeit als junger Bereitschaftspolizist draußen im Feld gesehen hatte, und der chaotische Schreibtisch wies wirklich nicht auf solide und konstruktive Arbeit unter harmonischen Verhältnissen hin.
Dann waren da noch die Bilder, die einfach Papier darstellten, weiße Schreibmaschinenbögen von unterschiedlichen Textlängen, teilweise mit der Maschine beschrieben und teilweise per Hand. Einige Blätter waren zerknüllt, zum Fotografieren geglättet und offenbar danach wieder zerknüllt und an den Ort zurückgelegt worden, wo sie ursprünglich gelegen hatten. Und jetzt setzten Bergs Probleme ein. Krassners Handschrift, denn man konnte wohl voraussetzen, dass er die Feder geführt hatte, war nur schwer zu entziffern, und das, was dort stand, war kryptisch, oft verkürzt und natürlich ganz und gar auf Englisch gehalten. Das galt auch für die mit Maschine geschriebenen Stellen, kurze Stücke und Textzeilen ohne ersichtlichen Zusammenhang, eher Entwürfe und Ideen für ein Exposé als Teile einer Erzählung. Das hier ist kein Manuskript, dachte Berg. Mit einer Ausnahme. Mit etwas gutem Willen konnte man in einem Entwurf etwas erkennen, aus dem aller Wahrscheinlichkeit nach ein Buch hätte werden sollen.
Die einzige Ausnahme hatte nämlich überzeugende Ähnlichkeit mit der Titelei eines Buches, und ohne sich in der Materie näher auszukennen, ging Berg davon aus, dass sich die Ängste der Autoren oft auf diese Weise zeigten. »The Spy that went East by John P. Krassner«, las er, und dann schrieb er mit Bleistift eine ordentliche kleine 1 in die rechte obere Ecke seiner Kopie. Es geht leichter, wenn man einfach nur blättert, dachte Berg, der erst einmal versuchen wollte, das Material einigermaßen zusammenhängend zu sortieren. Die Frage, wovon das alles überhaupt handelte, konnte er dann später klären.
Insgesamt fünfundachtzig Seiten, verschieden voll beschrieben, dachte Berg, nachdem er die Blätter zweimal mit angefeuchtetem Zeigefinger durchgezählt hatte. Einundsechzig davon, gefaltet, zerknickt, zerknüllt, schienen auf einem Stapel auf dem Fußboden gelegen zu haben, die übrigen vierundzwanzig hatten, wenn man einem der Fotos glauben wollte, auf dem ansonsten nicht sonderlich ordentlichen Schreibtisch nebeneinander gelegen.
Berg hatte die Blätter zuerst zu zwei Stapeln geordnet – einen für die zerknickten, einen für die einigermaßen sortierten –, um auf diese Weise festzustellen, ob die beiden Stapel vielleicht einen inhaltlichen oder niveaumäßigen Unterschied erkennen ließen, aber viel klüger hatte dieser Versuch ihn nicht gemacht. Nach einer guten Stunde des Lesens war er einzig und allein zu dem Schluss gekommen, dass es sich offenbar um Seiten handelte, die der Autor bereits vollendet oder die er verworfen und weggeworfen hatte, oder um Dinge, die er noch nicht wegwerfen konnte, aber weshalb das so sein sollte, ging aus dem geschriebenen Text nicht hervor. Der Kerl scheint ja wirklich total verwirrt gewesen zu sein, dachte Berg, und aus irgendeinem Grund musste er nun auch an Waltin denken. Immer gut angezogen, grinsend und auf seine beredte Weise überzeugt davon, dass es sich bei Krassner einfach um einen gänzlich belanglosen Wirrkopf handelte, mit dem sie ihre Zeit vergeudeten.
Im Laufe des Nachmittags hatte er mehrere Male über sein schlechtes Englisch nachgedacht. Rein theoretisch und relativ gesehen sprach er zwar besser Englisch als die meisten seiner Kollegen, die einen ähnlichen Dienstrang wie er innehatten. Im Vergleich zu Waltin natürlich nicht, aber der hatte ja einen ganz anderen Hintergrund, er redete hier von echten Polizisten. Im Alltag kam er durchaus über die Runden, aber in diesem Fall fühlte er sich hoffnungslos überfordert. Englisch war nicht seine Sprache, Schluss, aus. Er hatte sich schon mehr als einmal darüber gewundert, dass manche seiner Kollegen so wenig Urteilskraft besaßen, dass sie behaupteten, fließend Englisch zu sprechen. Und dass sie das offenbar auch glaubten, obwohl ihr Englisch sogar noch schlechter war als seins.
Noch ehe er sich an die Papiere gesetzt hatte, hatte seine Sekretärin ihm ein dickes englisch-schwedisches Fachwörterbuch gebracht, das er in solchen
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