Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters
Zusammenhängen schon häufiger benutzt hatte. Nach dem Mittagessen hatte sie noch weitere Bücher holen müssen, bei denen es um amerikanische Fachausdrücke und übliche Abkürzungen, um amerikanische Alltagssprache und amerikanischen Slang ging, und nach weiteren Stunden voller fruchtloser linguistischer Bemühungen hatte er dann endlich aufgegeben. Er hatte die Wörter, Ausdrücke und Textpassagen, die er nicht verstand, unterstrichen, hatte sie von seiner Sekretärin kopieren lassen und eine seiner Sprachexpertinnen aus der Analysegruppe gerufen.
Erinnert ein wenig an Marja, als sie jünger war, dachte Berg, der oft an seine Frau dachte, und lächelte die frisch herbeizitierte Helferin freundlich an.
»Du kannst mir nicht zufällig bei einer kleinen Übersetzung helfen?«, fragte Berg und reichte ihr die Liste mit den schwierigen Ausdrücken und Wörtern. »Englisch-Schwedisch«, fügte er hinzu, und aus irgendeinem Grund klang es fast, als wolle er dafür um Entschuldigung bitten.
Die Sprachexpertin überflog rasch die Kopien, dann nickte sie und lächelte.
»Das schaffe ich schon«, sagte sie. »Bis wann brauchst du es?«
»So bald wie möglich«, sagte Berg, und eine Stunde darauf stand sie wieder vor ihm.
»Na«, sagte Berg und lächelte. »Hat’s geklappt?«
»Das meiste hab ich jetzt wohl. In einigen Fällen habe ich mehrere Übersetzungsmöglichkeiten angegeben. Die wahrscheinlichste steht oben.« Sie reichte ihm einige sorgfältig mit Maschine geschriebene Seiten, die in einer roten Plastikmappe steckten.
»Erzähl«, sagte Berg. »Wer hat das hier geschrieben? Was ist das für ein Mensch?«, fügte er zur Erklärung hinzu.
»Hoppla«, sagte sie und lächelte. »Sprachpsychologie ist nicht gerade meine stärkste Seite.«
»Versuch es trotzdem«, bat Berg.
»Amerikaner«, sagte sie. »Definitiv Amerikaner. Weder jung noch alt, irgendwo zwischen dreißig und vierzig, stelle ich mir vor. Akademiker, schreibt wohl ziemlich viel, könnte sogar Journalist sein, und wenn ja, dann glaube ich zu wissen, wer sein Idol ist.«
»Ach«, sagte Berg. »Wer denn?«
»Hunter S. Thompson«, sagte seine neue Gehilfin. »Sein Stil weist deutliche Anklänge an den Gonzo-Journalismus auf, wenn auch in ziemlich unglücklicher Weise.«
»Gonzo-Journalismus?«
»Wie soll ich das erklären«, sagte sie und lächelte freundlich. »Sagen wir mal so. Wenn man ein Ereignis oder eine Person beschreibt, dann ist das journalistisch Wichtige nicht das Ereignis oder die Person an sich, sondern die Gefühle und Gedanken des Journalisten im Hinblick auf das Ereignis oder die Person. Interessant ist sozusagen das, was sich im Kopf des Journalisten abspielt.«
Das klingt ungeheuer praktisch, dachte Berg.
»Da spart man sich doch eine Menge Zeit.«
»Sicher«, sagte seine neue Mitarbeiterin kichernd. »Und bei einem klugen Kopf kann das Resultat durchaus interessant und unterhaltsam sein. Wie bei Hunter S. Thompson, wenn er wirklich gut ist. Wenn er schlecht ist, klingt es nur noch unbegreiflich.«
»Wirkt ein wenig dubios, wenn es einem um die Wahrheit geht«, wandte Berg ein.
»Das beste schwedische Beispiel ist sicher Göran Skytte. Für einen Gonzo-Journalisten, meine ich.«
Skytte, dachte Berg. Ist das nicht dieser große, schrecklich egozentrische und redselige Kerl aus Schonen, der immer mit diesem schrecklichen Guillou zusammengluckt?
»Skytte ist also ein schwedischer Hunter S. Thompson?«
»Na ja«, wandte seine neue Mitarbeiterin nüchtern ein. »Ich habe einen Freund, der in der vierten Liga Hockey spielt, aber deshalb ist er noch längst kein Gretzky. Obwohl er das natürlich gern wäre.«
»Und das hier?«, fragte Berg und zeigte auf die Unterlagen im roten Plastikordner.
»Mit der Einschränkung, dass meine Beurteilungsgrundlage vielleicht ein wenig dünn ist, würde ich doch behaupten, dass Skytte besser ist.«
»Skytte ist besser«, sagte Berg. Als Krassner, dachte er.
»Auf jeden Fall«, sagte die junge Frau. »Wenn wir gonzo-journalistisch reden, dann spielt Thompson in der National Hockey League, Skytte in der schwedischen vierten Liga, und dieser hier hat noch nicht mal richtig Schlittschuh laufen gelernt.«
»Trotz des Gonzo-Journalismus?«, fragte Berg. Und dessen praktischen Umgangs mit der Wahrheit, dachte er.
»Vielleicht richtiger gesagt, eben deshalb. Darf ich eine Frage stellen?« Sie schien ihn mit einem gewissen Zögern anzusehen.
»Ja«, sagte Berg. »Aber ich kann dir keine
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