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Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters

Titel: Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif GW Persson
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Tanne, die schon auf bedenkliche Weise nadelte, aber sie duftete immerhin nach Weihnachten, und die Kinder waren froh und zufrieden. Sie hatten zusammen gekocht, und sein Sohn hatte ungeahnte häusliche Talente an den Tag gelegt, während seine Tochter den Tisch schön gedeckt hatte. Es gab kein typisches Weihnachtsessen, das weder Johansson noch seine Kinder allzu sehr schätzten. Gute schwedische Kost, die er und seine Kinder gemeinsam ausgesucht und zubereitet hatten. Noch einmal aufgeführte Lieblingsstücke, dachte Johansson zufrieden, während er behutsam die edlen Kalbfleischklopse in der Bratpfanne umwendete und sein Sohn sich mit dem Stampfer über die Kartoffeln hermachte.
    Zuerst eine kleine schwedische, auf den einheimischen Klassikern beruhende Auswahl an belegten Broten, Räucheraal, Pökellachs, Rogen und zwei sorgfältig ausgewählte Sorten eingelegter Heringe. Johansson hatte erst einen, dann noch einen Schnaps aus Tante Jennys Glas getrunken, und als ihm aufging, dass sein Sohn ihn dabei verstohlen musterte, wusste er, dass er früher oder später diese Frage stellen musste. Der Bursche wurde doch schon bald siebzehn.
    »Willst du ein halbes Glas?«, fragte Johansson. Es ist doch Weihnachten, dachte er.
    »Nein, pfui Teufel«, sagte sein Sohn mit echtem Gefühl.
    »Du sollst nicht fluchen, du Schlingel«, sagte Johansson freundlich. »Aber es ist gut, wenn du so lange wie möglich die Finger vom Schnaps lässt«, fügte er väterlich hinzu.
    Nach dem Essen wurden vor dem Weihnachtsbaum die Geschenke verteilt, und Tochter und Sohn hatten beide leuchtende Augen dabei. Vor allem die mit Aufnähern besetzten T-Shirts, die er beim FBI gekauft hatte, erweckten große Begeisterung. Wesentlich mehr als die mit Nieten besetzten Lederjacken, die er für teures Geld in einem ihm empfohlenen Laden in New York besorgt hatte. Er selbst bekam ein Sammelalbum mit den alten Schlagern der Vikingarna und ein Buch, das zumindest dem Klappentext zufolge durchaus lesenswert zu sein schien. Dazu eine wattierte Schießweste mit Lederbesatz und großen Taschen, ein Geschenk beider Kinder, das sicher tiefe Löcher in ihr gesammeltes Kapital gerissen hatte.
    »Damit unser kleiner Paps weiterhin alle Tiere im Wald ausrotten kann«, sagte die Tochter mit nachsichtigem Lächeln.
    Am Sonntag hatten die Kinder den ganzen Vormittag geschlafen, während Johansson in dem Morgenrock, den er ein Jahr zuvor zu Weihnachten bekommen hatte, in der Wohnung herumpusselte.
    Er duschte, trank Kaffee, las die Zeitung und dachte über Krassner und diesen seltsamen Zufall nach, dass Krassner Selbstmord begangen hatte, während die Sicherheitspolizei sich dermaßen für seinen südafrikanischen Flurnachbarn interessierte. Aber trotz seiner geheiligten Regel, dass man in solchen Fällen den Zufall verachten sollte, kam er dabei nicht weiter. Wir leben schließlich in Schweden, dachte er, und da muss es sich einfach um einen Zufall handeln. Um die Ausnahme, die die Regel bestätigt, entschied er, weil er endlich Ruhe im Kopf haben wollte, und da die Kinder jetzt zum Leben zu erwachen schienen, machte er für sie ein echtes amerikanisches Frühstück.
    Pfannkuchen mit Ahornsirup und auf Wacholder geräuchertem Speck. Sein Sohn schien ebenso begeistert zu sein wie sein Papa und schaufelte doppelte Portionen in sich hinein, obwohl seine Schwester sich lauthals über Cholesterin und Übergewicht und hohen Blutdruck und baldiges verfrühtes Ableben ausließ.
    »Ich begreife nicht, wie ihr so was essen könnt«, sagte sie und stocherte in ihrem Fruchtjoghurt herum. »Nicht genug damit, dass es grauenhaft schmeckt, es stinkt auch noch und ist das pure Gift. Kapiert ihr denn nicht, dass das euer Tod sein kann?«
    »Aber es schmeckt sehr gut«, sagte Johansson und streichelte ihre Wange.
    Am Nachmittag schickte er sie mit dem Taxi zurück nach Vallentuna, und da die Bank ihm am Vortag die Abrechnung für den Aktienverkauf geschickt hatte, wunderte er sich nicht einmal darüber, was es kostete, zwei Teenager auf diese Weise nach Hause zu schaffen.
    Natürlich sollen sie es gut haben, dachte Johansson. Ich habe es selbst ja auch gut, und irgendwann erben sie doch alles. Danach hatte er heißes Wasser einlaufen lassen und sich einen Cocktail aus sehr wenig Gin und viel Eis und Grapefruitsaft gemixt und in bequeme Reichweite gestellt, dann war er in die Wanne gestiegen, um sich zu entspannen und um in aller Ruhe nachdenken zu können. In der Wanne badete man, um

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