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Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters

Titel: Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif GW Persson
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Johansson.
    »Er hat ein Alibi«, sagte Wiklander und lachte. »Zur Zeit von Krassners Fenstersprung saßen M’Boye und Kollegin Eriksson von der Säpo in einem mexikanischen Restaurant in der Birger Jarlsgatan.«
    »Du bist dir ganz sicher?«
    »Ich habe beim Wirt nachgefragt. Das ist ein Spanier, der Neger offenbar nicht heiß und innig liebt, um es mal so zu sagen. Er konnte sich an die beiden erinnern, behauptet sogar, dass er fast die Polizei angerufen hätte, ein großer grober Neger und eine zarte kleine Schwedin, die aussieht wie ein Schulmädchen. Da, wo er herkommt, steht darauf offenbar die Todesstrafe. Er hat eine ganze Weile gebraucht, um zu begreifen, dass ich nicht mit ihm sprechen wollte, weil die Kleine ermordet worden war.«
    Das ist zu viel, dachte Johansson. Die Säpo? Das hätte er nicht einmal in seinen düstersten Momenten für möglich gehalten, damals, als er als junger Radikaler zu viel Rotwein getrunken hatte. Ein Polizist hätte das nicht geglaubt, genauer gesagt. Die Russen? Möglich, denn alles, was er gehört und gelesen hatte, konnte doch wohl nicht nur Unsinn sein? Sicherheitspolizei und GRU. Unmöglich, dachte Johansson. Nicht einmal die Nachrichtenredaktion im Fernsehen würde so etwas bringen.
    »Wie siehst du denn die Lage?«, fragte Johansson und sah seinen jüngeren Kollegen herausfordernd an.
    Krassners Selbstmord und das Interesse der Säpo an M’Boye hatten nichts miteinander zu tun. Es war alles purer Zufall. Krassner hatte Selbstmord begangen. Er war doch total bescheuert gewesen und hatte außerdem gesoffen und Drogen genommen. Dazu kamen alle anderen objektiven polizeirelevanten Umstände, die aus der technischen Untersuchung und dem gerichtsmedizinischen Protokoll hervorgingen. Nicht zuletzt sein Abschiedsbrief.
    »Ein absolut glockenreiner Selbstmord«, stellte Wiklander fest. »Von den Kollegen von der Säpo mag man ja halten, was man will, aber so was machen sie nun doch nicht. Außerdem würden sie es nie so gut hinkriegen, wenn sie es doch einmal versuchen sollten.«
    »Hast du irgendeine Vorstellung, warum die Säpo sich so sehr für M’Boye interessiert?«, fragte Johansson.
    »Tjaa, Neger, Südafrika, Student, jung, radikal, Mitglied einer lokalen Widerstandsbewegung, ist mit Gewerkschaftsgeldern hier, das ist für die doch sicher mehr als genug.«
    Ja, dachte Johansson. Da hast du wohl recht. Typisch Freitag, der dreizehnte, und jetzt schneite es auch noch. Als ob der Schnee nicht reichte, der schon gefallen war, und dabei war es noch nicht einmal Weihnachten.
    Ehe Johansson seinen Arbeitsplatz verließ, rief er eine Kollegin von der Ausländerabteilung in Stockholm an. Sie war in seinem Alter, wie er geschieden, hatte wie er fast erwachsene Kinder. Außerdem hatte er sie einen Monat zuvor mit einem ähnlichen Begehr angerufen.
    »Was meinst du?«, fragte Johansson mit etwas mehr Norrländisch in der Stimme.
    »Klingt gut«, sagte sie und hörte sich entzückt an, wenn auch auf Stockholmisch.
    »Sagen wir: im üblichen Lokal um sieben«, sagte Johansson.
    »Was sagst du zu: in einer Stunde bei dir zu Hause?«, hielt sie kichernd dagegen. »Dann könnten wir danach essen gehen. Ich finde, dieses italienische Essen macht immer so müde.«
    Leicht wie ein Blatt im Wind, dachte Johansson und fühlte sich plötzlich so jung wie damals, als er wirklich so gedacht hatte.

 
Samstag, 14. Dezember, bis Sonntag, 15. Dezember
     
    Johansson hatte das Wochenende mit seinen beiden Kindern verbracht. Sie würden über Weihnachten und Neujahr mit ihrer Mutter und deren neuem Mann zusammen verreisen, »neu« war der Mann seit zehn Jahren. Dieses Wochenende bot ihnen also die letzte Chance, den Rest der Traditionen zu befolgen, den ihre derzeitigen Lebensumstände ihnen erlaubten. Ganz abgesehen davon war es ein schönes Wochenende. Am Samstag machten sie einen Spaziergang durch die Stadt, es war zwar kalt, aber am klaren, bleichblauen Himmel funkelte die Sonne, seine Kinder hatten sich auf eine Weise darüber gefreut, die er nicht erwartet hatte. So wird man wohl, wenn man in einer Villa in Vallentuna lebt, dachte Johansson.
    Danach hatten sie in der Östermalmshalle eingekauft, hatten im McDonald’s auf der Nybrogatan zu Mittag gegessen und sich auf dem Mariatorg einen Weihnachtsbaum gekauft, den sie dann in die Wollmar Yxkullsgatan geschleppt hatten, um ihn mit roten Glaskugeln und silbernen Girlanden zu schmücken. Es war zwar eine kleine und ziemlich heruntergekommene

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