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Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters

Titel: Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif GW Persson
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den Kollegen übersehene Vergewaltigung gemeldet, und da der Chef so war, wie er eben war, hatte er sich ziemlich aufgeregt, und Bäckström fürchtete schon, er könne ihm den großen polizeilichen Verdienstorden verpassen.
    »Schön, ein paar Leute zu haben, die nicht von gestern sind«, sagte der Chef und nickte. »Gut, Bäckström, gut«, wiederholte er. »Ich kümmere mich um das Opfer und sorge dafür, dass ein Arzt sich die Sache ansieht, während du dir den Täter schnappst.«
    Wie ist es auf dieser Welt bloß um die Gerechtigkeit bestellt?, dachte Bäckström eine Viertelstunde darauf düster. Das Opfer hatte eine Nummer bekommen und konnte sich jetzt auf einer warmen Krankenstation ausruhen. Der Täter hatte ein Geschenk und eine Nummer bekommen und saß jetzt wohl zu Hause in der warmen Stube und ließ sich volllaufen. Er selber dagegen saß am eiskalten Heiligen Abend in einem wackeligen Dienstwagen, zusammen mit diesem vergrätzten Kollegen von der Gewerkschaft, um einen Trottel zu holen, der weit draußen in den südlichen Vororten brütete, und wenn er überhaupt noch zu Hause war, würde Bäckström sicher mit einem Messer im Bauch im Krankenhaus Weihnachten feiern können.
    Und dann war da noch der Kollege, der die ganze Zeit herumbrabbelte, sie brauchten Verstärkung von der Bereitschaftspolizei, ehe sie die Wohnung betraten.
    »Wir sollten vielleicht zuerst mal nachsehen, ob er überhaupt zu Hause ist«, sagte Bäckström müde. »Oder was meinst du?«
    Der Kollege hatte sich mit einem Nicken begnügt. Er war zwar sauer, aber gescheit genug, die Fresse zu halten. Das Zielobjekt war zu Hause. Bäckström horchte am Briefschlitz und hörte den Fernseher und die Klospülung. Und da er schon mal da war, klingelte er, und der Täter ließ sie eintreten und bot ihnen etwas zu trinken an. Eine Tasse Kaffee oder so? Schnaps könne er leider nicht bieten, damit habe er aufgehört. Hier stimmt doch was nicht, dachte Bäckström.
    Es war ein dunkler, ziemlich kräftiger Kerl von Mitte dreißig, stocknüchtern, so weit Bäckström das beurteilen konnte. Seine Wohnung war klein und weder sauber noch schmutzig. Auf dem Bett im einzigen Zimmer lag eine Tagesdecke, aber das wirkte durchaus nicht arrangiert. Der Fernseher vor dem Sofa lief, offenbar hatte der Mann davor gesessen, als Bäckström geklingelt hatte. Es lief nichts weiter Aufregendes, ein Hollywoodfilm.
    Das Einzige, was ein wenig optimistisch stimmte, waren die vielen Bücher und die Plakate an der Wand, die durchaus politisch waren, auch wenn sie sich nicht gerade auf den Vorsitzenden Mao bezogen. Ob der wohl Kommunist ist?, überlegte Bäckström, während ihr Gastgeber, der Gewalttäter, Kaffee kochte und Bäckström sich ein wenig umsah. Und dabei entdeckte er das Dartboard an der Badezimmertür. Ja, Scheiße, dachte Bäckström. Das ist ja unser geliebter Ministerpräsident, mit Hakennase und allem. Verdammt saubere Arbeit dazu, das Bild war direkt auf das Brett gedruckt, und die meisten geworfenen Pfeile waren voll im Rüssel des Arschs gelandet.
    Hier stimmt was nicht, dachte Bäckström, denn Kommunist kann er ja wohl nicht sein.
    »Verdammt tolles Dartboard«, sagte Bäckström, als sie auf dem Sofa saßen und Kaffee tranken. »Wo kann man so was kaufen?«
    »Sie meinen den Landesverräter«, sagte ihr Gastgeber. – Hier stimmte also garantiert etwas nicht. – »Das können Sie gern haben. Ich kann mir ein neues besorgen.«
    »Das ist nicht nötig«, sagte Bäckström, denn dieser verdammte Kollege verzog schon missbilligend den Mund. »Wir wollten eigentlich aus einem anderen Grund mit Ihnen sprechen.«
    Und das hatten sie dann gemacht, und wie so oft stellte sich heraus, dass die kleine Nutte sich alles aus den Fingern gesogen hatte. Die beiden waren zusammen gewesen, doch darüber hinaus stimmte nicht ein Wort. Er hatte sie verlassen, vor gut einem halben Jahr, denn er hatte ihre ewige Sauferei nicht mehr ausgehalten, wo er doch selber damit aufhören wollte. Plötzlich war sie dann am Heiligen Abend bei ihm aufgetaucht und hatte eine Flasche Whisky und zwei Gläser mitgebracht.
    Sie hatte sich auf dem Sofa niedergelassen und sich ins Trinken vertieft, sie hatte ihn angepöbelt, weil er nichts abhaben wollte, und weil er sich durchaus nach Alkohol sehnte, war er plötzlich wütend geworden. Hatte die Flasche genommen, den restlichen Inhalt ins Spülbecken gegossen und sie zum Gehen aufgefordert. Darauf hatte sie sich auf ihn gestürzt

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