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Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters

Titel: Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif GW Persson
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hatte. Bis ins Detail und um keine denkbare Erklärung auszulassen.
    Zuerst hatte er etliche Fälle herausgesucht, die er und Kudo geklärt hatten und über die ihr neuer Gewährsmann nun wirklich nichts wissen konnte. Ausgehend von diesen Fällen hatte er an die zwanzig konkrete Fragen formuliert, die ihm und Kudo monatelanges Kopfzerbrechen bereitet hatten, bis sie dann auf die Lösung gekommen waren. Ihr neuer Gewährsmann hatte nur eine knappe Stunde gebraucht, um die Antworten auf sämtliche Fragen zu finden, und seine Antworten waren allesamt korrekt gewesen.
    Ehe sie dem Polizeichef von ihrer neuen Waffe im Kampf gegen den kurdischen Terrorismus berichtet hatten, hatten sie darüber diskutiert, ob sie dem Chef gleich erzählen sollten, dass der neue Gewährsmann auch ein Seher war, dass er diese Gabe besaß. Es war ja leider so, dass manche Menschen aus primitiven Gefühlsgründen diese Möglichkeiten nicht wahrhaben wollten und dass ihr Weltbild riskierte zusammenzubrechen, wenn sie dann doch damit konfrontiert wurden. Die ganze Sache hatte eine natürliche und selbstverständliche Lösung gefunden. Gegen Ende der Besprechung hatte Kudo ihrem neuen Bündnispartner zugenickt, und als er den Blick in dessen Augen sah, in diesen milden, klugen, Grenzen überschreitenden Augen, hatte er es einfach gesagt. Ganz offen.
    »Außerdem besitzt er die Gabe«, sagte Kudo. »Er sieht das, was andere nicht sehen.«
    Der Stockholmer Polizeichef hatte zuerst nur genickt. Eher an sich selbst gerichtet, wie es aussah. Danach sah er sie mit tiefem Ernst und großer Aufrichtigkeit an.
    »Das sind die Besten«, sagte er. »Und die Allerschwersten.«
    Danach schilderten sie ihr neuestes und dringlichstes Ermittlungsprojekt. Das geplante Attentat auf einen »hochrangigen und namentlich nicht weiter erwähnten schwedischen Politiker«.
    »Er hat uns den Namen genannt«, sagte Kudo.
    »Ich höre«, sagte der Polizeichef.
    »Der Ministerpräsident«, sagte Kudo.
    Als Kudo und Bülling ihn verlassen hatten, entschied der Polizeichef, dass er den Ministerpräsidenten warnen müsse. Er war schließlich schon lange mit ihm befreundet, und er war außerdem der einzige Polizist, auf den der Ministerpräsident sich verlassen konnte. Er hatte ihm schon früher geholfen, sogar schon zu der Zeit, als er noch nicht Ministerpräsident gewesen war. Und vor allem: Wenn der Ministerpräsident einem politischen Attentat zum Opfer fiel, dann war es die persönliche Verantwortung des Polizeichefs, die Sache aufzuklären und den Täter vor Gericht zu bringen.
    Ich muss ihn rechtzeitig warnen, dachte der Polizeichef. Ehe etwas passiert, fügte er hinzu, als Erinnerung für sich selbst und um jede Möglichkeit eines Irrtums auszuschließen.
     
    *
     
    Wenn Kudo und Bülling und der Stockholmer Polizeichef nun das Licht gesehen hatten, dann herrschte in der Welt, in der Göransson und Martinsson sich derweil aufhielten, um so tiefere Finsternis. Zuerst war da diese unerklärliche Dienstreise nach Petrozavodsk gewesen, mitten in einem klirrendkalten russischen Winter, wo sie sich fast den Hintern abgefroren hätten. Als sie nach Hause kamen, folgte eine Reihe von ausgekühlten und sinnlosen Überwachungseinsätzen, von denen einer den nächsten zu ergeben schien und die einfach kein Ende nehmen wollten.
    Die Mitteilung, dass sie gleich nach Neujahr wieder dem offenen Einsatz zugeteilt werden sollten, kam deshalb fast wie eine Befreiung. Sie hatten natürlich keinen Grund für diese Weisung erfahren, aber in der Abteilung wurde über eine weitere Umstrukturierung getuschelt. In der Woche vor Weihnachten waren sie der Reihe nach, Göransson als Dienstälterer zuerst, zum Laufburschen des hohen Chefs bestellt worden, zu Kommissar Persson, und wie das in solchen Zusammenhängen üblich war, war der Jurist der Kammer zugegen gewesen. Dort hatten sie die übliche Papiere unterschreiben müssen, die geheime Gerichtsverhandlungen, mehrjährige Gefängnisstrafen, finanziellen Ruin und persönliche Schande verhießen, wenn sie auch nur ein Wort über ihre Zeit beim geschlossenen Einsatz verlauten ließen. Beängstigender als diese Papiere jedoch war Kommissar Persson selbst, und ehe Martinsson ihn verlassen hatte, hatte er ihm ein Wort mit auf den Weg gegeben:
    »Du hast verdammtes Schwein gehabt, Alter. Wenn ich zu bestimmen hätte, dann hätten wir aus dir Leim gekocht.«
    Scheiß drauf, du kannst mich kreuzweise, du Fettsack, hatte Martinsson gedacht, und am

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