Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters
Schlaf gewiegt und mit ihrem Weihnachtsgeschenk als einziger Decke über ihrem schmächtigen Körper. Und dann muss ich Berg irgendwie beruhigen, dachte er. Und sei es auch nur zu seinem eigenen Besten.
*
Unmittelbar vor Mitternacht fasste Jarnebring sich ein Herz und rief seinen besten Freund an.
»Ich habe mich verlobt«, sagte Jarnebring.
»Wie heißt sie?«, fragte Johansson und hörte sich ungewöhnlich fröhlich und munter an und hatte sicher schon das eine oder andere intus. »Kenn ich sie vielleicht zufällig?«
»Hör auf, Lars«, sagte Jarnebring, der sich seinen großen Tag von solchen Sprüchen nicht verderben lassen wollte.
»Herzlichen Glückwunsch, Bo«, sagte Johansson, »und euch beiden fröhliche Weihnachten. Und pass auf dich auf. Und auf sie auch«, fügte er hinzu und hörte sich plötzlich schrecklich ernst an.
Du sentimentaler Scheißlappe, dachte Jarnebring, als er den Hörer auflegte. Verdammt, offenbar hab ich was ins Auge gekriegt, dachte er und rieb sich mit dem Fingerknöchel den linken Augenwinkel.
»Hat er sich gefreut?«, fragte seine Verlobte.
»Hmm«, sagte Jarnebring und nickte.
*
Ich muss Hedberg erwischen, dachte Waltin, aber dann war er wohl endlich eingeschlafen, denn als er wieder hochschaute, wurde es vor seinen Schlafzimmerfenstern schon hell.
XV
Und alles, was blieb, war die Kälte des Winters
Sundsvall, über Weihnachten und Neujahr
Johanssons ältester Bruder wohnte einige Dutzend Kilometer von Sundsvall entfernt am Meer, in einem großen alten Holzpalast, der in den goldenen Jahren um die Mitte des 19. Jahrhunderts von einem reichen Handelsbaron als Sommerhaus errichtet worden war. Und seit Johanssons Bruder hier eingezogen war, war das Haus nicht kleiner geworden.
Mal sehen, dachte Johansson, der über ein gutes Gedächtnis verfügte. Er hat die Auffahrt asphaltiert, hat den Parkplatz erweitert und seiner Frau ein neues Auto gekauft.
Am Morgen des Heiligen Abends hatten sie auf einer Insel im Meer Hasen gejagt. Das war eine alte Tradition, die sie vom elterlichen Hof bei Näsäker mitgebracht hatten, und das einzige Problem früher war gewesen, dass ihr Schweißhund sich meistens verirrt hatte und dass Mama Elna wütend auf sie gewesen war, wenn sie endlich nach Hause kamen, egal, ob sie nun einen Hasen mitbrachten oder nicht.
Diesmal lief alles besser. Das Meer war offen, weshalb weder Hündin noch Hasen etwas anderes übrig blieb, als auf festem Boden zu verbleiben. Die Hündin allerdings war noch gewaltig mit Jagen beschäftigt, als sein Bruder auf die Uhr schaute und mitteilte, sie müssten jetzt aufbrechen, wenn sie nicht zu spät zum Mittagessen kommen wollten.
»Aber was machen wir mit der Hündin?«, fragte Johansson, der gerne noch geblieben wäre, um einen weiteren Hasen zu schießen.
»Darum kümmert sich der Jagdhelfer«, sagte sein Bruder und nickte zu dem bewaldeten Hang hinüber, an dem sein Hundeführer schon vor einer Stunde Posten bezogen hatte.
»Ich hatte ja keine Ahnung, dass es hier draußen auf den Inseln so viele Hasen gibt«, sagte Johansson und nickte zu den drei kreideweißen Leichen hinüber, die auf der Heimfahrt unten im Boot lagen.
»Hier draußen gibt’s verdammt noch mal keine Hasen«, sagte sein Bruder und nickte.
»Und wo kommen die dann her?«, fragte Johansson, der einen geschossen hatte und einen weiteren fast erwischt hätte.
»Die hat der Junge vorige Woche ausgesetzt«, sagte sein Bruder grinsend. »Wofür hältst du mich eigentlich?«
Schön zu hören, dass du noch der Alte bist, dachte Johansson.
Das Mittagessen am Heiligen Abend war bei Johanssons ältestem Bruder nicht nur der Auftakt zu den Weihnachtsfeierlichkeiten, sondern auch ihr Höhepunkt, und gegessen wurde immer in der Küche. Indem er die Wände zur Vorratskammer, der ursprünglichen Küche, der Anrichtekammer und dem alten Speisesaal des Holzbarons eingeschlagen hatte, hatte sein Bruder einen Riesenraum geschaffen, der für den modernen Wikingerhäuptling, der er eben war, durchaus ausreichte. Der Tisch war schon zur Selbstbedienung gedeckt, um unnötige Rennerei zu vermeiden, das Feuer loderte im hohen offenen Kamin, und Johanssons großer Bruder saß wie üblich auf dem Hochsitz am Tischende, seine Eltern saßen rechts und links von ihm, alle seine Kinder an den Längsseiten, und seine Frau und Lars Martin ihm gegenüber an der zweiten Querseite.
»Ein gesegnetes Weihnachtsfest«, sagte Johanssons
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