Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters
großer Bruder, lächelte mit seinen kräftigen gelben Pferdezähnen und hob sein beschlagenes Schnapsglas.
Du bist immer noch der Alte, dachte Johansson.
Papa Evert und Mama Elna, sieben Kinder, drei Schwiegersöhne, drei Schwiegertöchter, zweiundzwanzig Enkelkinder, fünf Urenkelkinder. Nicht einmal die Riesenküche des großen Bruders hätte ausgereicht, wenn alle gekommen wären. Aber obwohl seit Generationen zu Hause in Näsäker jedes Jahr Familientreffen abgehalten wurden, wollte die Mehrheit der großen Familie Johansson doch lieber anderswo und auf eigene Faust Weihnachten feiern, wie immer, wenn das Sippengefühl abkühlte, wenn andere Gefühle und Unternehmungen sich dazwischen schoben und ohne dass tiefere Gegensätze oder gar Streitigkeiten eine Rolle gespielt hätten.
Aus denselben selbstverständlichen, historisch gegebenen Gründen feierten Johanssons Eltern bei ihrem ältesten Sohn Weihnachten, seit sie selbst zu alt waren, um die ganze Familie bei sich zu versammeln. Und deshalb saß Papa Evert nun zur Linken seines ältesten Sohnes, er war jetzt nur noch halb so groß wie »Klein-Evert«, und mit jedem Weihnachtsfest sah er eher aus wie etwas, das in der Sauna zu Hause auf dem Familienhof im Norden von Näsäker zum Trocknen aufgehängt worden war.
Nach dem Mittagessen hatten sie im Wohnzimmer, dem weitere Wände zum Opfer gefallen waren und das einen weiteren offenen Kamin und selbst für die Nichterschienenen noch Sofa, Sessel und Stühle aufwies, die Geschenke verteilt. Johansson hatte wie üblich den Weihnachtsmann gespielt, er hatte eine rote Mütze getragen, sich aber im Hinblick auf den lodernden Kamin, allzu viele Schnäpse und die entscheidende Tatsache, dass der jüngste Teilnehmer an diesem Fest fünfzehn Jahre alt und alt genug war, um seinen Apfelsaft mit mehr als einem Bier aufzupeppen, wenn er sich von seinen Eltern unbeobachtet glaubte, geweigert, eine Maske zu tragen. Aber Letzteres hatte er natürlich nicht gesagt. Denn es war doch Weihnachten, und ihn ging das außerdem wirklich nichts an.
Am Ende aber war alles vorüber, und zwar genau in dem Augenblick, in dem das viele Essen und alle Getränke ihren Tribut forderten. Das letzte Geschenk aus dem letzten geflochtenen Bastkorb wurde überreicht, wie immer an die Frau des Hauses, vom Herrn des Hauses und ohne Mitwirkung des Weihnachtsmanns. Wie immer teurer als alles andere zusammen, und wie immer wurde es herumgereicht, damit alle ihre Bewunderung für die Freigebigkeit des Gastgebers, sein warmes Herz und seine großartige Finanzlage zum Ausdruck bringen konnten.
»Das ist wirklich nicht schlecht«, sagte Johansson, um seinem Bruder eine Freude zu machen, und hielt das funkelnde Halsband hoch. Und es ist bestimmt lang genug, um ihr bis an die Taille zu gehen, dachte Johansson und lachte seine durchtrainierte und, egal zu welcher Jahreszeit, immer sonnengebräunte Schwägerin beifällig an.
»Ja, verdammt, wir Reichen haben es doch gut«, lachte sein Bruder genüsslich und schwenkte seine dicke Weihnachtszigarre, während er zugleich seinen jüngsten Bruder in eine Rauchwolke hüllte.
Sieh dich vor, dachte Johansson, sonst schicke ich dir die Steuerfahndung auf den Hals, und dann zog er sich in eine Ecke zurück, um sich in aller Ruhe mit seinem alten Vater zu unterhalten.
»Wir geht’s dir, Papa?«, fragte Johansson mit lauter Stimme und streichelte behutsam die Hand des Alten.
»Schrei nicht so, Junge, ich bin ja nicht taub«, sagte Papa Evert und grinste seinen Lieblingssohn freundlich an, während er ihm mit der freien Hand in den Bauch boxte. »Du scheinst ja wirklich keine Not zu leiden«, stellte er mit einem Blick auf Johanssons schwellende Taille zufrieden fest.
»Dir geht’s offenbar auch nicht schlecht«, sagte Johansson in normaler Lautstärke und mit tiefer Fürsorge in der Stimme.
»Nein, verdammt«, sagte Papa Evert und schüttelte den Kopf. »Es ist doch schon eine Weile her, seit ich so was getrieben habe, und es ist außerdem nichts, worüber man mit seinen Kindern spricht«, sagte der Vater, der das hörte, was er hören wollte. »Aber ich bin gesund und klar im Kopf, das schon, trotz allem Dreck, den man im Radio hört und in der Zeitung liest.«
Bald neunzig, fast taub, nur halb so groß wie in seinen guten Zeiten und mager wie ein Zaunpfahl. Aber gesund, dachte Johansson, es könnte einem wirklich schlechter gehen.
Danach war Papa Evert auf sein Lieblingsthema zu sprechen gekommen. Auf die
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