Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters
Richtung zu beeinflussen, wie bei jeder übergeordneten und wesentlichen menschlichen Arbeit, am besten in organisierten Formen und mit ebenfalls organisierten Aufgaben und Zielen in die Tat umgesetzt werden sollte, wurden die studentischen Organisationen zu den neuen Armeen des Kalten Krieges und zu dem Schlachtfeld, auf dem der Kampf geführt werden würde.
Vor diesem Hintergrund war es dann auch kein Wunder, dass das US-amerikanische militärische Hauptquartier in Frankfurt am Main sich in jeder Hinsicht um Pilgrim kümmerte, als dieser sein »Studium aufnehmen« und seine »ersten internationalen Kontakte knüpfen« wollte.
Das war bestimmt eine interessante Zeit, dachte Johansson, der Dagermans Betrachtungen über die frühe Nachkriegszeit in Deutschland als eines seiner absoluten Lieblingsbücher betrachtete. Pilgrim war offenbar kein schlechter Fang gewesen. Kaum war er trocken hinter den Ohren, war er auch schon wie ein Weberschiffchen hinter dem soeben herabgelassenen Eisernen Vorhang hin und her geschnellt: DDR, Polen, Tschechoslowakei, internationale Symposien, Vortragsreisen, Studienbesuche, Debatten und ganz normale Treffen wechselten mit nächtlichen Besprechungen, geschmuggelten Mitteilungen, Agenten, die rekrutiert werden sollten, und Sympathisanten, die es für die gerechte Sache zu gewinnen galt. Aber es ging auch um solche, bei denen man keinen Erfolg gehabt hatte, die in Verdacht geraten und entlarvt worden waren oder die die gute Sache im Stich gelassen hatten. Es ging sogar um den einen oder anderen, der verschwunden war oder tot.
Und während dieser ganzen Zeit hatte Buchanan seine väterliche Hand schützend über seinen jungen Favoriten Pilgrim gehalten. Sie hatten per Brief und Telefon und auf allen geheimen Wegen engen Kontakt gehabt. Es kam vor, dass Buchanan einfach auftauchte, Pilgrim zunickte und mit ihm in die Kneipe ging, egal, ob diese Kneipe nun in Stockholm, Frankfurt am Main, Berlin, London oder Paris lag. Niemals lag sie jedoch in Warschau, niemals in Prag, niemals in Frankfurt an der Oder.
Er war eine ungemein großzügige Vaterfigur, die über schier unerschöpfliche Mittel zu verfügen schien, wenn man Krassners Gekritzel und den Unterlagen seines Onkels Glauben schenken wollte. Pilgrim hatte fast fünf Jahre für die CIA bei europäischen Studentenorganisationen als Agent gearbeitet, vom Herbst 1948 bis zum Sommer 1953, und während der ganzen Zeit hatte Buchanan die Spendierhosen getragen und seine Brieftasche sperrangelweit aufgerissen. Unter Krassners Papieren gab es eine ordentliche handschriftliche Aufstellung über die Summen, die in diesen Jahren an »Pilgrim and/or Pilgrim Operations and/or Pilgrim Operatives« geflossen waren: Buchanans Handschrift, die übliche Art von Kopie, die Höhe der Beträge, ob Scheck, Postanweisung oder Barzahlung, sowie Datum und Jahreszahl der Aktion.
Außer dieser Übersicht gab es an die zwanzig Kopien von schwedischen und ausländischen Schecks und Postanweisungen, die entweder blanko oder auf den »Inhaber« oder »Einreicher« ausgestellt waren, und keiner davon war von der CIA oder irgendeiner anderen offiziellen, halb offiziellen oder geheimen Behörde in den USA unterzeichnet. Stattdessen stammte das Geld von amerikanischen Stiftungen, der Ford Foundation, der Rockefeller Foundation, von Beacon, Borden, Edsel, Preis und der Schuheimer Foundation. Zumeist von letzterer, von der auch die höchsten Beträge geflossen waren.
Großzügiger Typ, dachte Johansson, und diese Einschätzung wurde offenbar von Krassner geteilt, der in seinen hingesauten und teilweise handschriftlichen Fußnoten festgehalten hatte, dass »Bartlett K. Schuheimer ein wahrer Amerikaner und Patriot« gewesen sei, der »sein gesamtes Vermögen für den Kampf gegen die Rote Gefahr« gestiftet habe, während er zugleich seinen »guten Freund und Waffenbruder Col. lohn C. Buchanan mit der Verwaltung und Verteilung der Stiftungsgelder beauftragte«.
Das Ganze hatte in ziemlich bescheidenem Maßstab begonnen. Im November und Dezember 1948 hatte Pilgrim 1248 Dollar und 50 Cent für »Unterhalt, Reisekosten und Spesen« erhalten.
Da hat er wohl kaum Not gelitten, dachte Johansson, der Dagermans Buch noch in guter Erinnerung hatte.
Wie auch immer, schon im folgenden Jahr hatte Pilgrim offenbar ungeahnte Tätigkeiten entfaltet, wenn man von den Summen ausgehen durfte. Insgesamt hatte Buchanan mehr als dreißigtausend Dollar oder an die einhundertfünfzigtausend
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