Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters
John C. Buchanan« einige Monate später plötzlich dort auftauchte, um eine Reihe von Gastvorlesungen zum Thema »Europa nach dem Zweiten Weltkrieg, die sowjetische Besatzungspolitik und die Gefahr eines Dritten Weltkriegs« zu halten, war dieses Thema offenbar so verlockend, dass sich ein einundzwanzig Jahre alter späterer Ministerpräsident in die Hörerliste eintrug.
Forselius hatte die »mentale Veranlagung« des Ministerpräsidenten offenbar richtig beurteilt, denn kurz vor Weihnachten hatte Buchanan ihm geschrieben und ihm für seine Hilfe bei der erfolgreichen Rekrutierung für die »intellektuelleren Operationen« des US-amerikanischen Nachrichtendienstes CIA auf »dem europäischen Feld« zu danken.
»Nur einige kurze Zeilen, um dir für deine Hilfe in Bezug auf Pilgrim zu danken. Wir haben vorige Woche zusammen zu Mittag gegessen, nachdem er vom einführenden Training zurückgekehrt war, und ich muss sagen, dass er sich auf eine Weise entwickelt, die meine wildesten Träume sogar noch übertrifft.« Die Fotokopie dieses handgeschriebenen Briefes lag zwischen den übrigen Unterlagen.
Ja, ja, und einen geheimen Namen hast du auch bekommen, dachte Johansson, und danach hatte er sein Studium von Krassners intellektueller Hinterlassenschaft unterbrochen, um sich aus den Resten von Weihnachten und Neujahr, die seine pfeffer- kuchenfarbene Schwägerin aufgetischt hatte, ein angenehmes Mittagessen zu gönnen. Nach dem Essen hatte er sich eine Stunde ausgeruht, denn sie hatte ihm Bier und zwei Schnäpse aufgezwungen, sie selbst hatte sich mit Mineralwasser begnügt, und als er danach erwachte, machte er in der dichten Dämmerung einen raschen Spaziergang, um einen klaren Kopf zu bekommen, ehe er sich wieder an den Schreibtisch setzte. Verdammt, das wird ja richtig spannend, dachte Johansson, als er sich vor dem Gartenhaus seines Bruders den Schnee von den Füßen trat.
Im Spätsommer des folgenden Jahres war Pilgrim nach Schweden zurückgekehrt, natürlich versehen mit überaus guten amerikanischen Zeugnissen, hatte sein Universitätsstudium wieder aufgenommen und zugleich eine Karriere innerhalb der studentischen Politik angestrebt, und diese Karriere war, gelinde gesagt, dermaßen erfolgreich gewesen, dass der neue Vorsitzende von Schwedens Vereinigtem Studentenverband, dem SFS, ihn nur wenige Monate später auf eine längere Studienreise nach Westdeutschland schickte, und abgesehen davon, dass er offenbar ein »hoch begabter junger Mann« war, war diese Karriere doch für Lars Martin Johansson mit seiner eher traditionellen polizeilichen Veranlagung ein wenig zu rasch verlaufen, und es war Krassner, der seinen Verdacht jetzt weiter schürte.
Krassner zufolge hatte das neutrale Schweden nämlich, sowie allen klar geworden war, wie der Hase lief, eine militärische Zusammenarbeit mit den USA in die Wege geleitet. Dabei war man so weit gegangen, wie es bei solchen geheimen Unternehmungen überhaupt nur möglich ist und ohne Abstriche an der offiziellen Haltung der »weiter bestehenden strikten schwedischen Neutralität« zu machen. Ansonsten legte man einfach los, und ganz korrekt und wesentlich hatte es sich um militärische nachrichtendienstliche Operationen gehalten, die sich gegen die Sowjetunion richteten, Schwedens Erbfeindin und die frühere Verbündete der USA.
Die USA versorgten das schwedische Militär mit Geld und technischer Ausrüstung, während Schweden seine strategische geographische Lage und das für die eigentlichen Einsätze nötige Personal zur Verfügung stellte. Krassner widmete diesem Umstand nur zwei Seiten, auf denen er – fast im Vorübergehen, wie es schien –, die Zusammenarbeit an sich und einige erstaunliche Einzelereignisse dieser, gelinde gesagt, inoffiziellen schwedischen Außenpolitik schilderte.
Dies alles mochte aussehen wie eine vor allem defensive militärische Zusammenarbeit. Die Kehrseite der Medaille war die eher offensive und intellektuelle Tätigkeit, für die Forselius, Buchanan und ihre übrigen Gesinnungsbrüder innerhalb der Nachrichtenorgane der westlichen Welt schwärmten. Für Forselius und Buchanan war der Grundgedanke einfach und selbstverständlich und natürlich axiomatisch und elitistisch, und ein denkender Mensch mit stabilen konservativen Werten brauchte darüber nicht weiter nachzudenken.
Europas Zukunft würde dadurch entschieden werden, welche Wege die junge heranwachsende Elite in politischer Hinsicht einschlug, und da der Versuch, diese
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