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Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters

Titel: Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif GW Persson
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Schon nach einer Viertelstunde stand sie dann plötzlich auf der Straße, mit offenem Mantel, trotz der Kälte, damit kein armer überarbeiteter Wicht, der nur nach Hause ins Vorortelend wollte, den Anblick ihrer fetten Brüste unter ihrem eng sitzenden gelben Pullover verpassen konnte. Diese fette Sau stellt sich wirklich zur Schau, dachte Waltin und kicherte, als er sie vor sich sah, wie sie sich den ganzen Tag auf dem Stuhl sitzend rieb und dabei Stöpsel in kleine Löcher steckte.
    Aber statt in Richtung U-Bahn zu verschwinden – er hatte vor, sie vor dem Zebrastreifen anzusprechen –, blieb sie einfach stehen. Sie stand da, dann schaute sie auf die Uhr, und plötzlich verspürte er die vertraute Erregung. Die, die sich immer einstellte, ehe er etwas über jemanden erfuhr, etwas, aus dem er später Nutzen ziehen konnte. Sie wartet auf jemanden, dachte Waltin.
    Und in diesem Moment klopfte überraschenderweise jemand an die Fensterscheibe, zog die Tür auf und hielt ihm einen polizeilichen Dienstausweis unter die Nase.
    »Rutsch mal rüber«, sagte Kriminalinspektor Berg und nickte mit zusammengekniffenen Augen zum Beifahrersitz hinüber.
    Bergs Neffe, dachte Waltin. War der nicht wegen dieser Misshandlungsgeschichte vom Dienst beurlaubt worden? Jeans und Jacke wiesen darauf hin, aber warum hatten sie ihm dann nicht auch den Dienstausweis weggenommen?
    »Worum geht’s denn?«, fragte Waltin kurz angebunden. Obwohl er das schon wusste, denn aus dem Augenwinkel sah er die fette Sau, die auf der anderen Straßenseite vor Begeisterung geradezu auf und ab hüpfte. Mit dem hat sie natürlich auch gevögelt, dachte er. Garantiert hat sie mit der ganzen Bande gevögelt.
    »Hörst du schlecht, oder soll ich dir helfen?«, drängte Berg.
    Und da es, seinem Blick nach zu urteilen, ernst war, hatte Waltin trotz dieser absolut unwahrscheinlichen Lage getan, wie ihm geheißen, und sich auf den Beifahrersitz hinüber bemüht.
    »Ich werde mich kurz fassen«, sagte Berg. »Lisa ist eine gute Freundin von mir. Also lass sie in Ruhe, sonst werd ich dir ganz schönen Ärger bereiten.«
    »Ich weiß nicht, wovon du sprichst«, sagte Waltin und steckte die Hand in die Tasche, um seinen eigenen Dienstausweis zu zücken und dem anderen den Ernst der Lage klarzumachen. Einen Leitenden Polizeidirektor der Sicherheitspolizei bedroht man nicht, dachte Waltin.
    »Hör auf, Lisa zu verfolgen, sonst sorge ich dafür, dass sie dich anzeigt, und behaupte gar nicht erst, du wärst im Dienst«, sagte Berg und wischte Waltins Hand mit dem Dienstausweis beiseite.
    »Ich weiß wirklich nicht, wovon du redest«, sagte Waltin. Der Kerl ist doch total verrückt, dachte er. Das sieht man ihm schon an den Augen an.
    »Das wissen wir beide«, sagte Berg. »Sie zeigt dich an, ich und meine Kollegen haben dich gesehen und melden uns als Zeugen. Haben wir uns verstanden?«
    »Ich muss dich dazu auffordern, meinen Wagen unverzüglich zu verlassen«, sagte Waltin. Verrückt, dachte er. Restlos verrückt.
    »Das ist nicht dein Wagen, der gehört der Truppe, nur damit du’s weißt«, sagte Berg und öffnete zugleich die Tür, um auszusteigen.
    Waltin schwieg dazu, denn die Drohung in Bergs Augen kam unmissverständlich rüber. Dann war er einfach sitzen geblieben und hatte wütend zugesehen, wie Berg zu der fetten Sau gegangen war und sich bei ihr eingehakt hatte, und dann waren sie beide am Ende der Straße verschwunden. Erst dann fuhr er los. Ich bring sie um, dachte Waltin.
     
    *
     
    Nachdem Berg Lisa zur U-Bahn gebracht hatte, traf er sich mit seinen Kameraden. Diese Begegnung hatten sie schon an den Weihnachtstagen geplant, als sie auch ihre Taktik entwickelt hatten, mit der sie den Verräter finden wollten, der sich bei ihnen eingeschlichen hatte. Sie hatten schon einen Verdacht, deshalb brauchten sie nur noch die Falle zu stellen und abzuwarten, ob der Richtige hineintappte.
    Lisa ist schon in Ordnung, dachte er. Noch dazu eine tolle Nummer, ein solches Stück Ungeziefer wie diesen Waltin sollte man einfach totschlagen. Offenbar reichte es ja aus, ihn streng anzusehen, und schon machte er sich in die Hose, so schwer konnte das also nicht sein, dachte Berg.
    Bei dem Treffen hatte er die Versammlung mit einigen gut vorbereiteten, leicht angeröteten Ansichten »überrascht«, die er und seine Kameraden sich zurechtgelegt hatten, und genau der Kollege, auf den sie die ganze Zeit getippt hatten, hatte sofort wütend dagegen argumentiert. Meine Güte, der

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