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Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters

Titel: Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif GW Persson
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Deutungsprivileg verfügt.«
    »Natürlich«, sagte Kudo beifällig. »Wer die Initiative verliert, ist verloren.«
    »Aus demselben Grund möchte ich einen Terminologiewechsel vorschlagen, nämlich, in Zukunft den Ausdruck Fehlspur für die bewusst falschen Spuren zu reservieren, die wir selbst auslegen, während die früheren Fehlspuren, die also vom Gegner gelegt werden, hinfort Falschspuren heißen sollen. Das gibt außerdem die richtigen Signale«, betonte der Polizeichef hingerissen. »Die Gauner legen Falschspuren, wir dagegen legen Fehlspuren.«
    »Ich habe einen Vorschlag«, sagte sein bester Freund.
    »Ich bin ganz Ohr«, sagte der Polizeichef, denn sein bester Freund war ein hoch begabter Mann.
    »Ich wollte vorschlagen, dein im Übrigen hervorragendes ana- lytisches Modell durch etwas zu ergänzen, was ich selber als Stichspur bezeichnen würde«, sagte sein bester Freund.
    Stichspur, dachte der Polizeichef und spürte, wie die intellektuelle Spannung ihm in den Kopf stieg wie die Blasen in einer frisch geöffneten Limonadenflasche. Glasklar, aber zugleich irritierend.
    »Würdest du das ein wenig genauer erklären?«, sagte er.
    Was sein bester Freund voll Freude und mit aller intellektuellen Kapazität erledigte, deren er fähig war. Aus seiner eigenen Erfahrung in der freien Wirtschaft wusste er, dass man bisweilen Arbeitskräfte in Reserve haben muss, um sich neuen und unerwarteten Entwicklungen oder einfach nur zusätzlichen Belastungen stellen zu können. Damit diese Personen in der Zwischenzeit nicht Maulaffen feilhalten müssten oder, schlimmer noch, damit sie nichts anstellten, hatte er ein Reservoir an Arbeitsaufgaben geschaffen, die einfach der Beschäftigung dienten. Eine Art harmloser Nicht-Arbeit, die aber zugleich alle äußerlichen Kennzeichen echter Arbeit aufwies.
    »Der Vorteil einer Stichspur ist, dass sie nirgendwohin führt«, fasste sein bester Freund die Lage zusammen. »Aber zugleich sieht sie genauso aus wie eine normale Spur«, fügte er hinzu.
    »Wie meinst du das?«, fragte der Polizeichef listig. »Wenn du das in polizeilichem Zusammenhang durchführen solltest, meine ich.«
    »Stell dir vor, du hast etliche Ermittler, die du nicht alle gleichzeitig einsetzen kannst, die du aber für den Ernstfall zur Hand haben willst«, sagte sein bester Freund. »Dann setzt du sie auf eine Stichspur an, bis du sie brauchst.«
    Genial, dachte der Polizeichef. Sein bester Freund war ja schließlich nicht durch Zufall sein bester Freund geworden.
    »Es wäre hervorragend, wenn du das bis zum nächsten Mal schriftlich festhalten könntest«, sagte der Polizeichef und nickte mit echter Wärme. »Wir sollten vielleicht zum Ende kommen. Gibt es abschließende Kommentare?«
    Nur einer meldete sich. Er hatte die ganze Zeit noch nichts gesagt. Eine magere kleine Gestalt, deren Namen er vergessen hatte, er kam von der Spurensicherung, und er brauchte sich seinen Namen gar nicht erst zu merken, da der Mann zum ersten und letzten Mal hier war.
    »Ich heiße Wiijnbladh«, sagte Wiijnbladh. »Ich arbeite bei der Spurensicherung und habe eine kleine Frage.«
    Komm endlich zur Sache, dachte der Polizeichef sauer und begnügte sich mit einem Nicken. Der Kerl sieht ja aus wie ein Spatz, dachte er. Wie der an die Schule gekommen ist, ist wirklich ein Mysterium.
    »Was machen wir mit den normalen Spuren?«
    Was zum Teufel redet der da?, dachte der Polizeichef. »Den normalen Spuren?«
    »Ja, Fingerabdrücke und Blut und so«, erklärte Wiijnbladh.
    »Ach ja, die«, sagte der Polizeichef. »Auf die wollte ich in einem anderen Zusammenhang zurückkommen.«
    Der Spatz begnügte sich ebenfalls mit einem Nicken, und das war sein Glück, denn bei der Verkehrssünderkartei draußen in Västberga waren immer Stellen frei. Der Polizeichef aber rundete das Treffen mit einigen wohl gesetzten Worten ab.
    »Um den größten Detektiv zu zitieren, der jemals gelebt hat …«, sagte der Polizeichef. »Um den größten aller Detektive zu zitieren«, wiederholte er.
    Bei genauerem Nachdenken hatte der ja eigentlich gar nicht gelebt, sondern tauchte nur in Romanen auf.
    »… wenn wir alles ausgeschlossen haben, was selbstverständlich ist oder einfach nur glaubwürdig, und wenn nur das Unglaubliche übrig ist … dann, meine Herren … dann ist das die Wahrheit, so unglaublich sie auch aussehen mag«, sagte der Polizeichef und nickte feierlich.
    Dieser Mann hat die Gabe, dachte Kudo.
     
    *
     
    Der Sonderbeauftragte hatte

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