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Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters

Titel: Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif GW Persson
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haben«, sagte Jarnebring und grinste. »Und du hast keine Ahnung, was ihn dazu veranlasst haben könnte?«
    »Nicht die geringste.« Johansson schüttelte den Kopf. »Dürfte man vielleicht diesen Brief lesen, den du erwähnt hast?«
    »Selbstverständlich«, sagte Jarnebring großzügig und reichte ihm eine Plastikhülle, die einen Din-A4-Bogen enthielt. »Ich dachte schon, du würdest niemals fragen.«
    »Konnte Krassner Schwedisch?«, fragte Johansson überrascht, als er den maschinengeschriebenen Text sah.
    »Nein«, erwiderte Jarnebring und schüttelte den Kopf. »Das ist eine Übersetzung. Das Original ist noch bei der Spurensicherung. Das mit den Abdrücken haben sie mir am Telefon gesagt. Verdammte Faulpelze«, schnaubte Jarnebring. »Warum haben die seine Klamotten nicht mitgenommen, wo sie doch schon da waren und die Finger gesichert haben?«
    »Wer hat es übersetzt?«, fragte Johansson.
    »Hultman«, sagte Jarnebring.
    »Hultman? Unser Hultman?«, fragte Johansson.
    »Ja«, sagte Jarnebring, »und er spricht sogar noch besser Englisch als du, du kannst also ganz beruhigt sein.«
    Bin ich doch, dachte Johansson und las den kurzen Text.
    »Ich habe mein Leben zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters verbracht. Als ich jünger war, dachte ich, wenn der Sommer kommt, werde ich mich in eine verlieben, die ich über alles lieben kann, und dann wird mein Leben richtig anfangen. Aber als ich alles getan hatte, zu dem ich gezwungen worden war, war der Sommer schon vorüber, und alles, was blieb, war die Kälte des Winters. Und das war nicht das Leben, das ich mir vorgestellt hatte.«
    Seltsam, dachte Johansson. Genau wie die Gedichte, die ich geschrieben habe, als ich jung war, und die ich dann verbrannt habe, als ich etwas älter wurde.
    »War wohl ein sensibler Knabe«, sagte Jarnebring.
    »Scheint sich mit schwedischen Polizisten aber ausgekannt zu haben«, sagte Johansson und sprang auf. »Sollten wir heute Abend vielleicht zusammen essen?«
    »Gern«, sagte Jarnebring. »Wenn du versprichst, nicht mit Porzellan um dich zu werfen.«
    »Halb acht in meinem Stammlokal«, sagte Johansson. »Ich übernehme die Rechnung, du kannst also ganz unbesorgt sein.«
    »Hierher schleppst du also deine ganzen Frauenzimmer?«, fragte Jarnebring, als sie an Johanssons Stammtisch in dessen Stammlokal saßen.
    »So viele sind es nun auch wieder nicht«, sagte Johansson.
    »Und hier wird also italienisch gespachtelt«, sagte Jarnebring und schielte zu der großen Schiefertafel hinüber, auf der die Speisekarte verzeichnet war. Er schien nicht restlos begeistert zu sein.
    »Ja«, sagte Johansson, »und das solltest du auch mal probieren, aber weil ich ja wusste, dass du kommst, habe ich einige Sonderabmachungen getroffen. Du bekommst durchgebratenes Entrecôte mit überbackenen Kartoffeln und einen Nachtisch, den du zu schätzen wissen wirst. Dagegen gibt es keinen Hering als Vorspeise, das lag jenseits der Schmerzgrenze des Wirtes, aber er hat einen hervorragenden marinierten Lachs. Der übrigens perfekt zum Schnaps passt.«
    »Ich dachte, die hätten in diesen Läden noch nie von Schnaps gehört«, sagte Jarnebring.
    »Ich bin doch regelmäßig hier«, sagte Johansson, »und zwar, seit es diesen Laden gibt, und da haben sie natürlich mittlerweile davon gehört. Ich habe sogar zwei von meinen eigenen Schnapsgläsern mitgebracht, solche Schwenker aus Kristall mit hohem Fuß, wie du sie von mir zu Hause kennst. Ich habe zwei Dutzend von einer alten Tante geerbt. Habe ich dir von der schon mal erzählt?«, fragte er.
    Das hatte er zwar mehr als einmal, aber Jarnebring nickte ‚trotzdem auffordernd.
    »Die hättest du mal kennen lernen sollen, Bo«, erklärte Johansson, »die war wirklich nicht von Pappe. Sie betrieb in Kramfors ein Hotel, zur Zeit der Alkoholbeschränkung, und deshalb ist in so einem Glas Platz für siebeneinhalb Zentiliter, die halbe Ration damals. War eine tolle Idee von der Alten«, fand Johansson.
    Jarnebring schüttelte den Kopf. Er wirkte fast ein wenig ergriffen.
    »Lars, mein Freund, weißt du, was du bist? In Herz und Seele?«
    Johansson schüttelte den Kopf.
    »Du bist kein Scheißbürokrat von der Landespolizei. In Herz und Seele bist du ein norrländischer Großbauer, so ein gerissener Teufel mit meilenweit Wald und einer Sägemühle unten am Fluss. Wenn du nur hundert Jahre früher geboren worden wärst, dann hättest du mit Zorn und den anderen Typen in der Operabar picheln

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