Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters
fragte Johansson überrascht.
»Ehrlich gesagt weiß ich das ja gerade nicht«, antwortete Jarnebring. »Ich hoffe, dass du mir weiterhelfen kannst. Wenn der Herr Kriminaldirektor sich also herbemühen würden, dann werde ich so lange schon mal Kaffee aufsetzen.«
Jemand oder etwas musste sein Herz berührt haben, als er seinen besten Freund über den Flur auf sich zukommen sah, und die Bärenumarmung, die ihm an Stelle eines Händedrucks zuteil wurde, machte die Sache nicht besser.
»Wir gehen zu mir«, sagte Jarnebring mit seinem Wolfsgrinsen. »Das Personal soll mich nicht sehen, falls ich plötzlich losheule.«
»Du bist gewachsen, Lars«, sagte Jarnebring und musterte seinen Besucher. »Du kriegst jetzt richtige Chefmuskeln. Wenn der Knopf da an deiner Jacke abspringt und ich ihn an die Birne kriege, dann werden dich Bäckström und die anderen Trottel von seiner Abteilung unter Mordverdacht stellen.«
Johansson stellte seine Kaffeetasse ab und lächelte neutraler, als er es eigentlich vorgehabt hatte.
»Na gut, Bo«, sagte Johansson. »Let’s skip the bull, wie es in den USA heißt. Erzähl schon. Ehe du platzt.«
Jarnebring nickte und zog einen dünnen Ordner aus dem Stapel auf seinem Schreibtisch.
»John P. Krassner. Jonathan Paul Krassner, geboren 53, Staatsbürger der USA, laut bisher unbestätigten Auskünften eine Art freier Journalist aus Albany im Bundesstaat New York, was offenbar zwei Fahrtstunden nördlich der gleichnamigen Stadt gelegen ist«, erklärte Jarnebring und schaute abermals in seine Unterlagen. »Ist vor sechs Wochen nach Schweden gekommen.«
»Ach«, sagte Johansson überrascht. Und was hat das mit mir zu tun?, fragte er sich.
Jarnebring beugte sich über den Schreibtisch vor, stützte die massigen Arme auf und sah Johansson an.
»Woher kennst du ihn?«, fragte er.
Darum geht es also, dachte Johansson.
»Ich kenne ihn überhaupt nicht«, sagte er dann. »Ich kenne ihn nicht, bin ihm meines Wissens noch nie begegnet und kann mich nicht einmal erinnern, dass ich diesen Namen je gehört hätte. Wie wäre es übrigens, wenn du …«
»Ruhe, Lars.« Jarnebring lächelte und hob abwehrend die Hand. »Vergiss es, und ehe du so sauer wie letztes Mal wirst, schlage ich vor, dass du dich bequem hinsetzt, mir zuhörst und wir uns gegenseitig helfen.«
»Wieso denn?«, fragte Johansson und machte es sich gleichzeitig bequem in seinem Sessel.
»Das lässt sich nicht im Handumdrehen erklären«, sagte Jarnebring. »Und ich brauche wirklich deine Hilfe.«
»Na gut«, sagte Johansson. »Erzähl.«
»Ungefähr vier Minuten vor acht am Freitagabend ist besagter Krassner aus seinem Zimmer im fünfzehnten Stock in diesem Studentenwohnheim oben im Valhallavägen gefallen. Er hatte das Zimmer von einem anderen Bewohner gemietet, das lief wohl über eine internationale Zimmervermittlung für Studierende. Ich hab den Namen hier auch irgendwo«, sagte Jarnebring und schaute zur Decke hoch, während er versuchte seine Gedanken zu sammeln.
»Mord, Selbstmord, Unfall«, sagte Johansson. »Wo ist das Problem?«
»Aller Wahrscheinlichkeit nach Selbstmord«, sagte Jarnebring. »Unter anderem hat er einen Brief hinterlassen. Die Spurensicherung hat heute Morgen angerufen und mitgeteilt, dass der Brief seine Fingerabdrücke aufweist. Die sitzen da, wo sie hingehören, wenn er ihn selbst geschrieben hat.«
»Du meinst die Abdrücke des Toten«, sagte Johansson. »Du willst sagen, dass die Fingerabdrücke des Toten dort sitzen, wo sie hingehören, aber woher weißt du, dass die Abdrücke der Leiche seine Abdrücke sind?«
»Das sind sie«, sagte Jarnebring. »Das hat die Botschaft gestern schon per Fax bestätigt.«
»Die hatten Krassners Fingerabdrücke? War er vorbestraft?«
Jarnebring schüttelte den Kopf.
»Nein, aber die nehmen da drüben wohl so ungefähr aller Welt Fingerabdrücke ab. Seine haben sie sich geholt, als er am Eincheckschalter auf irgendeinem Flugplatz gejobbt hat. Sie haben kein Wort von irgendeiner kriminellen Vergangenheit oder so was gesagt. Scheint ein ganz normaler, schwermütiger Arsch gewesen zu sein.«
»Selbstmord«, wiederholte Johansson. »Wo ist das Problem?«
Jarnebring zuckte mit den Schultern. »Wenn es denn eins gibt«, sagte er. »Erstens weiß ich nicht, wer er war, aber ich habe die Botschaft schon darum gebeten, das für uns in Erfahrung zu bringen. Sie haben versprochen, sich mit den Kollegen drüben zu unterhalten und festzustellen, ob die irgendwas
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