Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters
dachte Oredsson. Wenn man dem Verbrechen ernsthaft zu Leibe rücken wollte, dann wäre es doch wichtig, Leute wie Jarnebring auf der richtigen Seite zu wissen.
*
Als Stridh nach Hause gekommen war, hatte er den Fernseher eingeschaltet, um sich die Nachrichten anzusehen, aber wie immer war nur eine Menge Elend mitgeteilt worden, und da hatte er wieder ausgemacht. Es nimmt nie ein Ende, dachte Stridh, der einzige Lichtblick war, dass er bald wieder frei haben würde.
Donnerstag, 28. November
Hultman ist keiner, der auf der faulen Haut liegt, dachte Jarnebring zufrieden, und von den Kollegen in den USA lässt sich das auch nicht sagen. Als er nach der Morgenandacht sein Postfach durchsah, entdeckte er ein Fax aus der US-Botschaft. Es enthielt ein polizeiliches Vernehmungsprotokoll aus Albany, New York, dazu einige offizielle Zeilen des juristischen Attachés der Botschaft sowie einen handschriftlichen Brief von Hultman, der das Wesentliche zusammenfasste: Vor zehn Jahren hatte Krassner einen Selbstmordversuch verübt, indem er vom Balkon seines damaligen Wohnhauses gesprungen war. Die lokale Polizei hatte eine alte Notiz über dieses Ereignis herausgesucht. Sie hatten auch mit seiner damaligen Freundin gesprochen, und, kurz gesagt, konnte sie alles bestätigen, was Jarnebring schon von Anfang an vermutet hatte. Krassner war ein gelinde gesagt komplexer Mensch gewesen. Krassner hatte schon früher Selbstmord begehen wollen, und zwar auf dieselbe Weise wie diesmal.
Als Selbstmordversuch war die Sache damals kein Ruhmesblatt gewesen. Krassner hatte sich eine Gehirnerschütterung und einen Beinbruch zugezogen. Diesmal hast du mehr Glück gehabt, dachte Jarnebring und beschloss, seinen Bericht zu verfassen, sowie die endgültigen Ergebnisse der Gerichtsmedizin vorlagen. Selbstmord, dachte Jarnebring noch einmal. Das Einfachste wäre es wohl, diesen blöden kleinen Zettel mit dem Namen meines besten Freundes zu vergessen. Vielleicht auch diesen blöden Schuh mit dem hohlen Absatz, dachte er dann. Den Safeschlüssel hätten sie ja auch anderswo finden können, und das Einfachste wäre es, ihn mit allen anderen Dingen auf der Liste der beschlagnahmten Gegenstände aufzuführen. Ich will hier ja keinen Spionageroman schreiben, dachte Jarnebring, also kann das auch zwischen mir und Lars Martin bleiben.
Johansson war verblüfft und spürte eine wachsende Gereiztheit. Zuerst hatte er versucht, in seinem Kopf Ordnung zu schaffen, indem er sich in die Arbeit gestürzt hatte. Bis zum Mittagessen hatte er auf diese Art rasch und effektiv alle alten Ärgernisse und den üblichen Quatsch weggearbeitet, der eigentlich auch bis in alle Ewigkeit hätte liegen bleiben können, und nach dem Essen hatte er sich an einen alten Vorschlag zur Umorganisation des Landeskriminalamtes gesetzt, für den sich nicht einmal der Antragsteller noch interessieren mochte … und dann rief er Jarnebring an.
»Alles klar«, sagte Jarnebring. »Komm rüber, dann reden wir.«
Jarnebring hatte ihm das Fax der Botschaft gezeigt, aber das schien seinen besten Freund nicht weiter zu beeindrucken. Es interessierte ihn offenbar auch nicht so recht, dass Jarnebring beschlossen hatte, diesen scheußlichen Zettel und den Schuh mit dem hohlen Absatz in seinem Bericht unerwähnt zu lassen. Johansson schien es nicht einmal gehört zu haben.
»Na gut«, sagte Jarnebring mit leichter Resignation in der Stimme. »Was kann ich für dich tun?«
»Du hattest da so ein Foto von Krassner«, sagte Johansson. »Das kann ich mir nicht zufällig mal leihen?«
Jarnebring grinste und zuckte mit den Schultern.
»Wen möchtest du denn verhören?«
Johansson zuckte ebenfalls mit den Schultern.
»Ich habe mir den Kopf zerbrochen, dass ich schon fast am Durchdrehen bin. Ich will überhaupt niemanden verhören.«
»Also nur ein bisschen die Ohren offen halten?«
Johansson lächelte widerwillig, und Jarnebring prustete los.
»Das Ohr an die Schienen legen?«
»So ungefähr«, sagte Johansson.
»Ich glaube, du kannst dir da Ärger an den Hals ziehen«, sagte Jarnebring. »Dazu wärst du der richtige Typ, aber okay. Und kann ich dir sonst noch irgendwie helfen?«
»Der Brief«, sagte Johansson. »Ich kann mir seinen Brief nicht zufällig mal ausleihen?«
»Das Original wollte ich zu den Unterlagen geben, aber wenn du dich mit einer Kopie begnügst? Dann natürlich«, sagte Jarnebring.
»Eine Kopie reicht absolut«, sagte Johansson.
Jarnebring grinste und nickte,
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