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Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters

Titel: Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif GW Persson
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schon dunkel, und er hatte das Mittagessen verpasst. Abendessen in einer Stunde, dachte Johansson und fühlte sich ein wenig munterer. Nach dem Abendessen setzte er sich gemeinsam mit zwei seiner Reisekameraden vom Landeskriminalamt in die Kneipe. Sie holten sich ein Bier und sprachen ein wenig über das, was gewesen war, und das, was ihnen bevorstand. In einer Hinsicht waren sie einer Meinung. Diese ganze Akademie kam ihnen ein wenig zu militärisch vor. Aber das Essen war gut, die Zimmer waren sauber und die Gastgeber ungeheuer herzlich. Wie es sich für einen Orden gehört, dachte Johansson.
    »Ich habe eine Runde auf der Trainingsbahn gedreht«, sagte der Kommissar von der Drogensektion, der Betriebsnudel und Trainingsjunkie zugleich war. »Die rannten, als ob sie einen Lötkolben im Hintern hätten. Ich musste ganz an den Rand ausweichen, um ein bisschen Ruhe zu haben.«
    »Ich habe nur einen kurzen Spaziergang gemacht«, sagte Johansson. »Einmal durch die Hauptstraße und zurück.« Seine Erfahrungen aus der Umgebung behielt er für sich.
    »Hoover Road, nach John Edgar Hoover, fast fünfzig fahre lang Chef des FBI und Gründer der Stätte, an der wir jetzt unser Gute-Nacht-Bier zu uns nehmen.« Der Kommissar von der Interpolabteilung lachte und hob sein Bierglas.
    »Ich dachte, der hat das ganze FBI gegründet«, sagte Johansson.
    »Da irrst du dich, Chef«, erwiderte der Interpolkommissar und wischte sich ein wenig Schaum von der Oberlippe. »Das FBI wurde 1908 als Sonderabteilung des Justizministeriums gegründet. Hoover wurde 1924 zum Chef ernannt, der dritte seit Gründung. Aber er hat immerhin die Akademie ins Leben gerufen, in der wir soeben verweilen.«
    »Man lernt doch jeden Tag etwas Neues«, sagte Johansson und lächelte, während sein Kollege von der Drogenfahndung sich vorbeugte und verschwörerisch räusperte.
    »Ich habe gehört, er soll sich nicht gerade bedeckt gehalten haben«, sagte der Drogenkommissar grinsend.
    »Ja, das ist ziemlich interessant.« Der Kollege von der Drogenkommission nickte. »Trotz allem, als Chef des FBI, als Supermacho, als tief konservativer, gläubiger, christlicher Rechtsaußen, als unbarmherziger Verfolger noch des kleinsten liberalen Seitensprungs, von allem, was weiter links stattfand, ganz zu schweigen, lebte er sein Leben lang mit einem anderen FBI- Agenten zusammen. Sie wohnten im selben Haus, und offiziell war der andere Hoovers Chauffeur, Hausmeister und Leibwächter, aber alle, die beide kannten, wussten, dass sie ein Paar waren. Und dass der Chef zu feierlichen Anlässen gern ein Abendkleid trug.«
    »Ja, Scheiße«, sagte der Drogenkommissar und schüttelte den Kopf. »Was für ein Leben.«
    »Wir wollen doch hoffen, dass es die wahre Liebe war«, sagte Johansson neutral und hob sein Glas.

 
Montag, 2. Dezember, bis Freitag, 6. Dezember
    Die Tage waren schnell vergangen. Im Voraus geplant, seit langer Zeit eingeteilt, bis auf die Minute ausgefüllt, gesättigt mit dem im Programm angekündigten Inhalt, aber nur dem und sonst gar nichts. Drei Mahlzeiten pro Tag, eine halbe Stunde morgens für das Frühstück, eine für das Mittagessen, für das Abendessen anderthalb. Danach das Abendbier in der Kneipe, das als freie soziale Aktivität galt und natürlich spätestens um zehn Uhr abends geleert sein musste, obwohl diese zeitliche Begrenzung im Programm gar nicht erwähnt war. Es gab Besprechungen, Gruppenarbeit, Vorlesungen, Seminare und jeden Tag eine Stunde Training.
    Die, die an diesem Ort tätig waren, Rekruten, Sonderagenten, Dozenten und höhere Vorgesetzte, sahen alle aus wie Klone eines Archivagenten, der vermutlich unter strengster Geheimhaltung in der Zentrale in Washington aufbewahrt wurde. Mittelgroß, mit kurz geschorenen Haaren, geradem Rücken, erhobenem Haupt, den Blick auf den Gesprächspartner gerichtet, breiten Schultern, schmaler Taille, dicken Oberschenkeln und Waden. Und fast immer mit kleinen Füßen und Patschhändchen.
    Geräusche, Stimmen, Uniformen. Das unregelmäßige Knallen von den Schießständen her, das kurze Bellen der Gewehre der Scharfschützen, die Hustenanfälle der Maschinenpistolen. Wildes Geschrei in Hogan’s Alley, das zeigte, dass hier ein Geiseldrama seinen Höhepunkt erreicht hatte. Kolonnen von Rekruten, rhythmisch marschierende Soldatenstiefel, Stimmen im Chor, unmöglich, ein einzelnes Wort zu verstehen, auf dem Weg von einer Übung zur nächsten, blaue Baseballmützen, blaue Trainingsjacken, lose hängende

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