Zwischen Diesseits und Jenseits
Tieres, das sich so geschmeidig und schnell bewegen konnte. Es kam auf ihn zu, es ging auf den berühmten Samtpfoten und ließ ihn nicht aus dem Blick.
Genau in diesem Moment wurde ihm bewusst, dass er tatsächlich keine normale Katze vor sich hatte, sondern ein Tier, das hinter Gitter gehörte, und zwar in einen Zoo.
Es musste ein Puma sein. Einer mit einem besonderen Fell, denn es sah grau aus.
Ignatius legte die linke Hand gegen die rechte. Jetzt hielt er die Beretta wieder so fest, wie es für ihn am besten war. Er verfolgte mit der Mündung die Bewegung des Tieres und wartete darauf, dass er angegriffen wurde. Erst dann wollte er schießen. Vorher nicht, weil ihm der Puma noch nichts getan hatte.
Ignatius hatte keine Zeit, um über sich und seine Angst nachzudenken. Er beobachtete das Tier sehr genau und war fasziniert von der Geschmeidigkeit seiner Bewegungen.
Es fauchte leise.
Es kam noch näher.
Dann schüttelte es leicht den Kopf, als wollte es ihm erklären, dass es nicht zu einem Angriff kam. Noch zwei Schritte weiter und dann war es in Sprungweite heran.
Das Tier blieb stehen. Es hob die rechte Pfote an und begann sie zu lecken. Plötzlich war der Mensch uninteressant für die Katze geworden. Sie kümmerte sich nicht um ihn, aber Father Ignatius sah es noch nicht als eine Entspannung an. Es konnte noch alles ganz anders kommen, denn trauen wollte er dem grauen Puma nicht.
Deshalb zielte er nach wie vor auf den Körper und behielt den Finger am Abzug.
Der Puma ließ ihn in Ruhe. Er drehte sich mit einer lässigen Bewegung ab, als wollte er sagen: Du kannst mich mal. Dann ging er fort, den Schwanz leicht angehoben, wie der Sieger nach einer Schlacht. Er ließ einen völlig überraschten Ignatius zurück, der sich auf diese Begegnung keinen Reim machen konnte.
Der Chef der Weißen Macht schaute ihm so lange nach, bis er in einer der dunklen Stellen zwischen den Bäumen verschwunden war und nicht mehr auftauchte.
Zwei Minuten ließ Ignatius vergehen, bevor er sich rührte und die Waffe sinken ließ. Erst jetzt merkte er, dass ihm das Stehen und die Anspannung an die Nerven gegangen waren, denn von oben bis unten war sein Körper mit Schweiß bedeckt. Er kam sich verändert vor. Er spürte das Kratzen in der Kehle, als wären seine Stimmbänder malträtiert worden. Im Kopf erlebte er einen Druck, gegen den er nicht ankämpfen konnte, und erst allmählich fand er sich wieder zurecht und tauchte auch wieder ein in die Wirklichkeit.
Tief durchatmen. Die Ruhe bewahren. Zu sich selbst kommen. Die Furcht vor dem Unheimlichen unterdrücken. Wieder Hoffnung fassen, denn bisher war noch nicht viel passiert, abgesehen vom Angriff der Riesenfledermaus.
Er stieg die Stufen hoch. Diesmal waren seine Bewegungen langsamer. Auch deshalb, weil er ständig den Kopf drehte, um nach etwaigen Gegnern Ausschau zu halten. Aber auch da hatte er Pech oder Glück, es kam darauf an, wie man es sah.
Mit dem Rücken zur Eingangstür blieb er noch einmal stehen. Jetzt dachte er über das Haus nach, während sein Blick durch den dunklen Garten streifte.
Er lebte dort. Er schlief auch dort. Es beschränkte sich nicht nur auf die Arbeit. Pasquale gehörte ebenfalls zu seinem Team, aber die meisten Mitarbeiter schliefen außerhalb. Einige besaßen ihre kleinen Zimmer auch im Vatikan. Andere lebten in Klöstern.
Eine Notbesatzung war immer vorhanden. Da ging es vor allen Dingen um überwachende Funktionen. Allerdings nicht mit menschlichen, sondern mit elektronischen Augen. Die Weiße Macht fing viele Botschaften ab, die durch den Äther flossen. Mit der entsprechenden Technik war sie ausgerüstet.
Ignatius verzog seine Lippen, als er daran dachte. Technik mochte gut sein, er hatte sich oft genug darauf verlassen können, aber was war die Technik gegen die geheimnisvollen Kräfte der Magie?
Er hatte oft genug erleben müssen, wie mächtig die andere Seite war, die bereits seit Urzeiten existierte. Der Satan, Luzifer, das Allerhöchste an Bösem, was sich der Mensch überhaupt vorstellen konnte. Hinzu kamen die Kreaturen der Finsternis oder die vier grausamen Horror-Reiter, die hin und wieder wie die Boten der Apokalypse erschienen, um die Erde in ein Chaos versinken zu lassen.
Das alles wusste er, und das war auch seinem Freund John Sinclair bekannt.
Der letzte Blick in den Garten.
Nein, da war alles normal. Es gab keine Probleme, und auch der Puma war verschwunden. Trotzdem bildete sich wieder eine Gänsehaut, als er an
Weitere Kostenlose Bücher