Zwischen dir und mir
durchschauen als zuvor. Sie verbarg ihr Gesicht in den Händen, aber er verschwand nicht aus ihren Gedanken.
»Was ist los?«, fragte Marie einmal mehr flüsternd.
»Kein Plan. Alles Scheiße«, erwiderte Lisa nur kopfschüttelnd und versuchte, ihre Gedanken zu zerstreuen, indem sie den Blick aus dem Fenster schweifen ließ. Die Fünftklässler durften draußen bereits Fangen spielen. Ein Junge hatte ein Mädchen erwischt. Sie lachten, kicherten, wurden rot. Waren sie verliebt? Lisa konnte nur ein mattes Lächeln für die Freude der Kinder finden. Eine Freude, an die sie sich kaum noch erinnern konnte.
»Willst du nicht noch mal mit Dennis reden?«, flüsterte Marie.
Am Samstag hatte sie ihr schon die ganze Zeit dazu geraten, als sie shoppen waren, bis Lisa irgendwann eine Trotzhaltung angenommen hatte. »Der kann kommen, wenn er noch was von mir will«, hatte sie mehrmals entschieden erwidert. Oder sollte sie doch den ersten Schritt machen? In welche Richtung? Führten die Schritte zu ihm nicht noch weiter weg? Dort wo sie mal gewesen waren, würden sie nicht wieder ankommen. Plötzlich war sie sich gar nicht mehr so sicher, ob sie wieder dahin zurückwollte.
»Ich wette, er meldet sich. Der weiß doch, was er an dir hat.« Maries Hand tat gut, wollte aber den Funken Hoffnung noch nicht so recht wecken. Der Gong zum Ende der Stunde brachte keine Befreiung. Eine merkwürdige Stimmung packte sie wieder. Einerseits wollte sie Dennis unbedingt sehen. Vielleicht hatte er schon eine andere oder schaute sich zumindest nach einer um. Würde er sie überhaupt beachten? Andererseits wusste sie, dass es schmerzen würde. In Gedanken hatten sie den Klassenraum bereits verlassen und doch brauchte sie eine Ewigkeit beim Einpacken ihrer Bücher.
»Na komm, Lissy«, seufzte Marie, die schon an der offenen Tür stand. Das Mathematikbuch war endlich verstaut und sie konnte die Tasche schultern. Auf halbem Weg zur Tür wurde sie aufgehalten.
»Du hast da was liegen lassen.«
Alex’ Stimme ließ sie herumfahren. Sie war ihm plötzlich viel zu nah. Er war neben ihr aufgetaucht und hielt in seiner offenen Hand ein Armband. Sie musste es liegen gelassen haben, als sie in Gedanken damit herumgespielt hatte. Es war ein altes Armband, das sie sich als Kind selbst gebastelt hatte. Zwischen ein paar schlichten Holzperlen war eine wunderschöne kleine Muschel aufgefädelt, die sie am Strand gefunden hatte. Eine schöne Erinnerung. Klein, aber unvergänglich. Einfach. Und viel zu selten.
»Oh, danke«, brachte sie heraus. Alex’ Anblick hatte sie kurz aus der Fassung gebracht. Aus der Nähe betrachtet sahen die Platzwunde und das blaue Auge noch viel schlimmer aus, als sie es sich vorgestellt hatte.
»Es ist so hübsch, dass ich es fast behalten hätte, aber ich denke, dir steht es besser«, lächelte er, als sie ihn weiter nur anstarrte, anstatt das Armband zu nehmen. Alex wandte das Gesicht etwas ab, aber Lisa konnte sehen, dass er rot wurde.
»Ähm, ja … Ich muss dann auch mal.« Sie nahm das Armband aus seiner Hand und streifte es sich über.
»Lissy?« Marie ließ ihr keine Ruhe.
Sie schenkte ihm noch ein dankbares Lächeln, dann drehte sie sich um und folgte ihrer ungeduldigen Freundin.
»Was laberst du denn mit dem? Blöder Spruch«, kommentierte Marie, was sie gerade beobachtet hatte.
»Ist doch nett von ihm.« Sie betrachtete das Armband, das sich auf einmal ganz warm an ihrem Handgelenk anfühlte, ganz genau, als sehe sie es zum ersten Mal.
»Hast du schon vergessen? Wegen dem Vollidiot bist du nicht mehr mit Dennis zusammen.«
»Jetzt übertreib mal nicht, ey! Der ist da reingeraten.«
Marie schüttelte nur den Kopf. »Du solltest Dennis noch eine Chance geben.«
»Meinst du nicht, ich sollte mich bei ihm entschuldigen?«
»Klar, ähm, bei wem jetzt?«
»Na ja, bei Alex.«
War sie völlig verrückt geworden? Marie schien ihr das mit ihrem Blick mitteilen zu wollen.
»Der sieht echt schlimm aus wegen den Schlägen«, rechtfertigte sie sich.
»Kümmere dich lieber um Dennis als um diesen Loser«, war Maries Antwort.
Warum wollten verdammt noch mal alle, dass alles blieb, wie es war? Warum war es so verrückt, nur einmal etwas anders zu tun, jemand anderen nett zu finden? Und schlecht sah Alex doch auch nicht aus … Marie dachte doch nicht, dass sie etwas von ihm wollte? Lisa musste selbst grinsen bei dem Gedanken.
Marie schüttelte den Kopf. »Was ist nur los mit dir, Lissy? Ist bei dir noch alles
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