Zwischen dir und mir
Kopf.
»Marie?«, fragte sie nach einer Weile nach.
»Ja, aber sie wollte vorhin auf Toilette.«
Lisa beschloss weiterzugehen. Sie setzte ihren Weg nach drinnen fort, wo die Musik spielte. Auf dem Sofa saßen einige Gäste und amüsierten sich über einen Besoffenen, der auf dem Ledersofa schlief. Überall standen halb volle und leere Gläser und Flaschen.
»Hallo, Lisa.« Eine bekannte Stimme ließ sie herumfahren. Frau Langerfeldt stand in der Tür zum Flur. Sie war sichtlich angestrengt von der Hausparty.
»Sie sind hier?«, vergaß Lisa zu grüßen.
»Oh, ja. Wir haben unseren Urlaub gestrichen, weil Bernd hier ein wichtiges Geschäft abschließen muss. Und Dennis wollte nicht so kurzfristig absagen«, seufzte sie und strich sich die schweißnassen Haare aus der Stirn. »Ich hab gehört, was passiert ist, Lisa«, schüttelte sie ungläubig den Kopf. »Vielleicht könnt ihr ja noch mal reden, nicht?«, brachte sie Lisa in Verlegenheit.
»Haben wir schon.«
»Schön. Ich meine, du bist doch wie eine Tochter für uns. So perfekt habt ihr zusammengepasst. Ich habe auch schon mit ihm geredet. Vielleicht hat es ja geholfen.«
Ihr wohlwollendes Lächeln half zumindest nicht. Lisa ließ sich nicht anmerken, dass Frau Langerfeldt neue Zweifel in ihr aufgeworfen hatte. Hatte Dennis sie nur eingeladen und sich bei ihr entschuldigt, weil seine Mutter es ihm gesagt hatte?
Lisa beschloss, ihre Suche fortzusetzen, um diesen unangenehmen Gedanken zu vertreiben. »Ich such ihn dann mal. Hat mich gefreut«, verabschiedete sie sich.
»Sag ihm, er soll sich um seine Gäste kümmern. Ich weiß auch nicht, wo er steckt.«
Lisa war im Krach der Musik untergetaucht und inzwischen in der Küche angekommen, wo sich Dennis’ kleine Schwester am Kühlschrank bediente. Sie ging in die neunte Klasse, trug eine Zahnspange und eine Brille. Mit ihrem stets mürrischen Blick begegnete sie Lisa, als sei sie verantwortlich dafür, dass diese Party stattfand.
»Hi«, grüßte Lisa so nett wie möglich, erhielt aber keine Antwort. Sie hatte es immer schade gefunden, dass sie sich so schlecht verstanden. Vielleicht lag es daran, dass Freya keine Freunde hatte und neben Dennis völlig unterging, der ein Mädchenschwarm und in der ganzen Schule beliebt war. Zu ihren Geburtstagsfeiern hatte stets die Hälfte abgesagt und die andere Hälfte kam nur wegen dem Pool. Bei Dennis’ Partys platzte jedes Mal eine Meute uneingeladener Gäste herein. Gegen ihn war sie schlicht ein Häufchen Elend und Dennis ließ keine Möglichkeit aus, einen dummen Spruch zu machen. Meistens nur Andeutungen, die er ganz nebenbei fallen ließ. Sie tat Lisa leid, wie sie da ganz alleine in der Küche stand.
Wo war Dennis? Sie ging an der Kochinsel vorbei in den Flur und stand vor der Treppe, wo einige Jungs saßen und ein Bier tranken. Ein Junge aus der Parallelklasse machte mit einem fremden Mädchen rum. Die Träger ihres BHs waren heruntergerutscht. Lisa beachtete sie nicht weiter. Es kam ihr vor, als sei sie in einem Gruselkabinett gefangen. Fremde Menschen. Leere Blicke. Aber nicht sie machten ihr Angst, es war ein ungutes Gefühl, von dem sie gar nicht so genau wusste, was es war.
Jede Stufe fiel ihr schwerer. Oben angekommen spürte sie erst, wie heftig ihr Herz schlug. Sie fühlte sich seltsam fremd hier, dabei kannte sie das Haus, diesen Flur schon ewig. Die Bässe von unten waren nur gedämpft zu hören. Sie schreckte zusammen, als die Toilettentür aufging und Robert herausstolperte.
»Hallo, Lisa«, grinste er und umarmte sie. »Hab gehört, du bist wieder solo.«
»Ähm … kann man so sagen«, antwortete sie.
Seine blutunterlaufenen Augen schauten Lisa nie gleichzeitig an. »Geh doch nach unten und setz dich erst mal hin, ich komm gleich nach.«
Er stank aus dem Mund nach Kotze. Sie hatte Mühe, sich von seinem Arm zu befreien. Robert nickte wie hypnotisiert und versuchte, die erste Stufe der Treppe zu finden.
»Hast du vielleicht Dennis gesehen?«, fragte sie.
»Ist in seinem Zimmer«, lallte er nur. Lisa hatte sich schon umgedreht, als sein nächster Satz sie wie ein Blitz traf: »Mit dieser Freundin von dir. Marie.«
In diesem Moment ging Dennis’ Tür auf und Marie trat heraus. Ihre beste Freundin. Sie trug ein viel zu großes Polohemd, von dem Lisa noch genau wusste, wem sie es erst kürzlich über den Kopf gestreift hatte. Trug sie überhaupt noch einen Slip? Ihre glatten schwarzen Haare waren nicht wie sonst zu einem Zopf geflochten,
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