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Zwischen dir und mir

Zwischen dir und mir

Titel: Zwischen dir und mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lino Munaretto
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gewesen. Er musste ganz alleine mit den Problemen klarkommen. Er konnte nicht darauf warten, dass ihm irgendjemand helfen würde. Es schmerzte nicht. Es war einfach, wie es war. Der stumpfe Alltag. Er ignorierte die SMS von Georg und Julian.
    sorry, alex. war eine scheiß aktion von uns. heute abend bei mir fußball gucken.
    kein bock, antwortete er.
    Stattdessen schaute er im Fernsehen Reality-Shows an oder Pornos auf dem Notebook, um sich dann für ein paar Minuten zu befriedigen. Aber wenn das Gefühl verflogen war und der Fernseher verstummt, musste er es einsehen – er konnte die Gedanken an sie nicht einfach verdrängen.
    Am drauffolgenden Dienstag stach Alex ein neuer silberner 3er- BMW ins Auge, als er sein Fahrrad durch das Gartentor schob. Er konnte froh sein, wenn er irgendwann einen kleinen alten Polo als erstes Auto sein eigen nennen durfte. Seine Mutter hatte nur einen Ford Ka. Alle zwei Jahre musste sie sich wieder Sorgen machen, ob er durch den TÜV kam. Er lehnte das Rad gegen die Hauswand. Der Schlüssel klemmte wie immer, bis er endlich im Schloss steckte und Alex öffnen konnte. Er warf den Rucksack in die Garderobe und schlüpfte aus den Schuhen. Dort, wo er sie abstellte, stand ein Paar fremder Schuhe. Turnschuhe. Neu. Adidas. Keine besonderen Schuhe. Aber nicht die Schuhe, die die Freunde seiner Mutter trugen. Seine Vorahnung bestätigte sich in der Küche.
    »Hallo, Alex, guck mal, wer uns heute besucht.«
    »Hey, Sportsfreund.«
    Ein großer junger Mann, der wie sein älteres Spiegelbild aussah, saß dort und grüßte ihn.
    Justus. Alex’ Bruder.
    Nur seine Augen hatten das, was Alex nicht in seinen sah. Sie waren scharf, wild und irgendwie immer noch unberechenbar. Freude, Wut und Angst – Alex hatte schon alles in ihnen gesehen. Diesmal leuchteten sie und verengten sich zu schmalen Schlitzen. So war es immer, wenn er lachte.
    »Hey, Justus«, erwiderte Alex etwas zögerlich. Ein Puzzle aus Gedanken fügte sich. Der BMW war sicher ein Neuwagen. Die Lederjacke, die Jeans, die Schuhe. Alles war neu. Die dunklen Haare hatten einen verwegenen Wet Look, und doch war es ein sorgsam abgestimmtes Bild. Die Koteletten waren auf das Akkurateste getrimmt. Mit dem Rücken der Hand strich er sich über die frisch rasierte Wange. Das letzte Mal hatte er eine alte Trainingsjacke und eine abgewetzte Jeans getragen. War unrasiert gewesen, seine Haare strähnig. Alex wusste noch nicht recht zu deuten, was er sah. Eine schwere Hand klopfte ihm auf den Rücken, während er kräftig umarmt wurde. Justus roch nach teurem Aftershave. »Alles klar bei dir, Großer?«
    Alex nickte nur.
    Justus strahlte noch euphorischer.
    »Dein Bruder hat einen neuen Job«, erklärte ihre Mutter, und auch ihren Augen war die ungewohnte Freude anzusehen.
    »Das … das ist cool«, brachte Alex hervor und versuchte, ein Lächeln aufzusetzen.
    Konnte er sich nicht einmal mit ihnen freuen? Irgendwas störte ihn. »Dann … dann ist das dein Auto?«
    »Der BMW ? Na ja, ich hab ihn von meinem Chef. Ich brauch ihn, für die Arbeit. Wenn ich mich ein Jahr bewährt habe, ist er meiner. Also, im Prinzip … ist es jetzt schon meiner.« Er lachte, wie Alex ihn lange nicht hatte lachen sehen.
    »Was arbeitest du denn?«
    »Ich fahre Kunden, eine Art Chauffeur. Das wird besser bezahlt, als du vielleicht denkst.«
    »Ach, echt, ich hatte keine Ahnung. Ich wusste nicht, wie viel man da so verdient.«
    »Ich finde es schön, dass du endlich deinen Weg gefunden hast.« Lange hatten die Augen ihrer Mutter nicht so warm gestrahlt. Die beiden schauten zu ihr, die eine Tasse Kaffee trank.
    »Danke, Mama.«
    Justus’ Augen fixierten wieder seinen jüngeren Bruder. »Ich dachte, wir machen eine kleine Spritztour. Wie wär’s?«
    Alex wäre schon immer gerne mit einem Auto wie diesem gefahren. Trotzdem zögerte er einen Moment, bevor er antwortete: »Ja … wieso nicht?«
    »Also los. Wir sind gleich wieder da, Mama.«
    »Ich koche uns was Schönes. Wir können nachher auf der Terrasse sitzen.«
    »Ich dachte, wir gehen heute mal essen«, warf Justus ein, als er mit Alex schon fast im Flur stand. »Natürlich lade ich euch ein.«
    Ihre Mutter lächelte.
    »Es ist Zeit, dass wir mal wieder etwas zu dritt machen. Wie wäre das Napoli ?«, schlug er mit einem Augenzwinkern vor.
    Der Blick ihrer Mutter genügte.
    Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken. Das Tempo drückte ihn in den Sitz, als der Wagen beschleunigte. Die Geschwindigkeitsanzeige

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