Zwischen Himmel und Liebe
Augen auf. »Ist eine super Firma. Ich liebe meinen Job von ganzem Herzen.«
»›Superfirma‹?«, wiederholte sie mit gerunzelter Stirn. »Hab ich noch nie gehört. Sind die hier in Kerry?«
Ivan blinzelte. »Es gibt uns praktisch überall, Elizabeth.«
Interessiert zog Elizabeth die Brauen hoch. »Also ein internationales Unternehmen?«
Ivan nickte und trank einen Riesenschluck Milch.
»Womit hat Ihre Firma denn zu tun?«
»Mit Kindern«, antwortete er schnell. »Mal abgesehen von meiner Kollegin Olivia, die mit älteren Menschen arbeitet. Aber ich hab immer mit Kindern zu tun. Ich helfe ihnen, wissen Sie. Na ja, jedenfalls habe ich mich bisher immer um Kinder gekümmert, aber zurzeit erweitern wir unseren Einflussbereich ein wenig … soviel ich weiß …« Er verstummte, klopfte mit dem Fingernagel an sein Glas und blickte in die Ferne, die Stirn in Falten gelegt.
»Ach, das ist ja nett.« Elizabeth lächelte. Sein Tätigkeitsbereich erklärte die jugendliche Kleidung und das Verspielte in seinem Verhalten. »Wenn man eine Marktlücke entdeckt, dann sollte man sie unbedingt nutzen, finden Sie nicht auch? Expandieren, den Profit steigern. Es ist immer gut, nach neuen Möglichkeiten Ausschau zu halten. Nach neuen Märkten.«
»Was für Märkten denn?«
»Na, beispielsweise für die Versorgung älterer Menschen.«
»Ach, die haben einen extra Markt? Großartig! Wissen Sie denn, wann der stattfindet? Wahrscheinlich sonntags, was? Bei solchen Gelegenheiten findet man doch immer was Brauchbares, stimmt’s? Der Vater von meinem ehemaligen besten Freund Barry hat sich immer billig gebrauchte Autos gekauft und sie dann aufgemotzt. Seine Mutter hat aus Vorhängen Klamotten genäht. Man hätte denken können, sie spielt in
The Sound of Music
mit. Nur gut, dass sie auch hier in der Nähe wohnt, denn sie wollte auch jeden Sonntag auf die Berge kraxeln, und weil Barry mein bester Freund war, musste ich natürlich auch mit, stellen Sie sich das vor. Was glauben Sie, wann man ihn sich mal ansehen kann? Den Markt, meine ich, nicht den Film.«
Aber Elizabeth hörte ihm kaum zu, denn sie war mit den Gedanken inzwischen schon anderswo. Sie konnte es einfach nicht verhindern.
»Geht es Ihnen gut?«, fragte die freundliche Stimme.
Sie blickte von ihrer Tasse auf. Warum schien das alles diesem Mann so am Herzen zu liegen? Wer war dieser sanfte Fremde, in dessen Gegenwart sie sich so wohl fühlte? Jedes kleine Glitzern in seinen blauen Augen verstärkte ihre Gänsehaut, sein Blick war hypnotisch und seine Stimme wie ein Song, den man ganz laut hören und sofort auf Wiederholung stellen möchte. Wer war dieser Mann, der ihr eine Frage stellte, die nicht einmal ihre eigene Familie ihr je stellte?
Geht es Ihnen gut
? Und? Ging es ihr gut? Sie schwenkte den Rest Kaffee in ihrer Tasse herum, dass er an die Seiten klatschte und hochspritzte wie das Meer an den Klippen von Slea Head. Seit Jahren hatte ihr niemand mehr diese Frage gestellt, und wenn man es sich recht überlegte, deutete diese Tatsache darauf hin, dass die Antwort Nein lautete. Nein, es ging ihr nicht gut.
Sie war es müde, immer nur ihr Kissen zu umarmen. Sie war es müde zu hoffen, dass der Tag schnell vorüberging, damit sie mit dem nächsten beginnen konnte, der vielleicht besser und leichter werden würde. Was natürlich nie geschah. Sie arbeitete, bezahlte die Rechnungen und ging ins Bett, wo sie nicht schlafen konnte. Jeden Morgen war die Last auf ihren Schultern wieder ein wenig schwerer, und jeden Morgen wünschte sie sich, es würde möglichst schnell wieder Abend werden, damit sie sich in ihrem Bett verkriechen, ihr Kissen an sich drücken und sich in ihre warmen Decken wickeln konnte.
Sie schaute den freundlichen Fremden an, dessen blaue Augen sie musterten, und sah mehr Aufmerksamkeit in ihnen als in den Augen irgendeines anderen Menschen, den sie kannte. Sie wollte ihm sagen, was sie empfand, sie wollte, dass er ihr versicherte, alles würde gut werden. Sie war nicht allein, und sie würden alle glücklich und zufrieden leben und … sie befahl sich aufzuhören. Träume, Wünsche und Hoffnungen waren nicht realistisch. Sie durfte ihre Gedanken nicht so ausufern lassen. Sie hatte einen guten Job, sie und Luke waren gesund. Mehr brauchte sie nicht. Sie sah Ivan an und überlegte, wie sie seine Frage beantworten sollte. Ging es ihr gut?
Er trank einen Schluck Milch.
Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus, und dann fing sie laut an zu
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