Zwischen Himmel und Liebe
zulassen, dass das Haus abgerissen wird. Aber auf alle Fälle werde ich wirklich gut bezahlt«, fügte sie hinzu.
»Das erwähnst du jetzt schon zum zweiten Mal. Wir kommen gut zurecht. Wozu brauchst du denn das ganze Geld?«, fragte Mark.
»Für den Notfall«, antwortete Elizabeth, während ihr Lachen verklang und ihr Lächeln verblasste. Sie dachte an Saoirse und an ihren Vater. Zwei Notfälle eigentlich.
»Nur gut, dass wir nicht mehr in Irland wohnen«, sagte Mark und schaute aus dem Fenster. »Sonst wärst du bald pleite. Das Wetter hier ist ein permanenter Notfall.«
Elizabeth folgte seinem Blick, sah hinaus in den Regentag und konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass die Woche, die sie hier verbracht hatten, nichts als eine Zeitverschwendung gewesen war. Nicht dass sie ein Empfangskomitee erwartet hätte oder Wimpel an den Geschäften in der Main Street, aber weder Saoirse noch ihr Vater schienen sich auch nur im Geringsten dafür zu interessieren, dass sie zu Hause war, oder dafür, was sie in der Zwischenzeit erlebt hatte. Aber sie war ja nicht zurückgekommen, um Geschichten über ihr Leben in New York zu erzählen, sondern um nach ihnen zu sehen.
Ihr Vater wollte immer noch nicht mit ihr reden, weil sie weggegangen war und ihn im Stich gelassen hatte. Dass Elizabeth immer wieder für ein paar Monate in einem anderen County gearbeitet hatte, war für ihn schon schlimm und sündhaft genug gewesen, aber Irland ganz zu verlassen, das war schlicht unverzeihlich. Vor ihrem Umzug hatte Elizabeth noch dafür gesorgt, dass sowohl ihr Vater als auch ihre Schwester gut versorgt waren. Zu ihrer großen Enttäuschung war Saoirse im Jahr zuvor von der Schule abgegangen, und Elizabeth hatte ihr innerhalb von zwei Monaten nun schon den achten Job besorgt; zurzeit räumte sie im Supermarkt Regale ein. Außerdem hatte sich ein Nachbar auf Elizabeths Bitte bereit erklärt, Saoirse zweimal im Monat zu ihrem Therapeuten nach Killarney zu fahren. Für Elizabeth war dieser Teil sogar noch wichtiger als der Job, aber sie wusste, dass Saoirse sich nur auf dieses Arrangement eingelassen hatte, weil es ihr Gelegenheit gab, zweimal im Monat ihrem Käfig zu entfliehen. Trotzdem – für den Fall, dass Saoirse sich doch irgendwann entschloss, über ihre Gefühle zu sprechen, war jemand da, der ihr zuhörte, und das beruhigte Elizabeth.
Die Haushälterin, die Elizabeth für ihren Vater organisiert hatte, war allerdings bisher noch nicht aufgetaucht. Im Farmhaus herrschte staubiges, feuchtes Chaos, und nachdem Elizabeth zwei Tage lang geschrubbt und gebohnert hatte, gab sie es auf, weil ihr klar wurde, dass kein Putzmittel der Welt das Haus wieder zum Strahlen bringen konnte. Als ihre Mutter weggegangen war, hatte sie allen Glanz mitgenommen.
Auch Saoirse hatte inzwischen das Haus ihres Vaters verlassen und war mit ein paar Leuten zusammengezogen, die sie bei einem Musikfestival kennen gelernt hatte. Sie schienen allerdings nichts anderes zu tun, als bei dem alten Turm am Stadtrand im Kreis herumzusitzen oder im Gras zu liegen, auf Gitarren herumzuklimpern und Lieder über Selbstmord zu trällern. Alle hatten lange Haare und die Männer lange Bärte. Nur zweimal hatte Elizabeth ihre Schwester während ihres »Urlaubs« gesehen. Die erste Begegnung war recht kurz gewesen. Gleich am Tag ihrer Ankunft bekam Elizabeth einen Anruf von der einzigen Boutique in Baile na gCroíthe. Saoirse war dabei erwischt worden, wie sie ein paar T-Shirts mitgehen lassen wollte. Elizabeth war sofort gekommen, hatte sich überschwänglich entschuldigt und die T-Shirts bezahlt, aber sobald sie den Laden wieder verlassen hatten, war Saoirse sofort zu ihren Freunden in die Hügel abgeschwirrt. Beim zweiten Mal reichte die Zeit gerade dafür, dass Elizabeth ihrer Schwester Geld leihen und sich mit ihr am nächsten Tag zum Lunch verabreden konnte – zu dem Saoirse allerdings nicht erschienen war. Aber Elizabeth freute sich, dass Saoirse endlich ein wenig zugenommen hatte. Ihr Gesicht war voller, und ihre Kleider hingen nicht mehr sackartig an ihr herab. Vielleicht tat es ihr gut, alleine zu wohnen.
November in Baile na gCroíthe war eine einsame Zeit. Die jungen Leute waren weg, in der Schule oder auf dem College, die Touristen in ihr eigenes Zuhause zurückgekehrt oder in wärmere Gefilde geflohen, in den Geschäften herrschte gähnende Leere, manche hatten geschlossen, andere standen am Rande des Ruins.
Das Städtchen war trist, kalt und trübe,
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