Zwischen Himmel und Liebe
Hintern. Natürlich wollte Elizabeth unbedingt dabei sein, wenn ihrer kleinen Schwester das Projekt endlich glückte, und sie hatte vor, den Fortschritt angemessen zu feiern, wie es ihre Mutter getan hätte, zu singen und zu tanzen.
Saoirse blies Luft durch die gespitzten Lippen und erzeugte Spuckeblasen, während sie munter in ihrer Geheimsprache plauderte.
»Ja«, nickte Elizabeth. »Komm zu Elizabeth.« Sie breitete die Arme aus.
Langsam ließ Saoirse die Sofakante los, und mit entschlossenem Gesicht setzte sie sich in Bewegung. Schritt für Schritt kam sie auf Elizabeth zu, die den Atem anhielt und sich einen Freudenschrei verkniff, um die Kleine nicht abzulenken. Den ganzen Weg sah sie ihr fest in die Augen. Diesen Blick würde sie nie vergessen, diese absolute Entschlossenheit. Dann war Saoirse am Ziel und fiel ihrer großen Schwester freudestrahlend in die Arme. Elizabeth nahm sie hoch, tanzte mir ihr im Zimmer herum und überhäufte sie mit Küssen. Saoirse kicherte und produzierte eifrig Spuckeblasen.
»Dad, Dad!«, rief Elizabeth aufgeregt.
»Was denn?«, erkundigte er sich mürrisch aus der Küche.
»Komm doch mal, schnell!«, antwortete Elizabeth und zeigte Saoirse, wie man Beifall klatscht.
Mit besorgtem Gesicht erschien Brendan an der Tür.
»Saoirse kann laufen, Dad! Schau doch bloß! Mach es noch mal, Saoirse, lauf noch mal für Dad!« Sie stellte ihre Schwester wieder auf den Boden und ermunterte sie, es noch einmal zu versuchen.
»Jesus Christus, und ich dachte schon, es wär was passiert«, knurrte ihr Vater. »Erschreckt mich doch nicht so, das kann ich gar nicht brauchen.« Damit drehte er sich um und verschwand wieder in der Küche.
Als Saoirse bei ihrem zweiten Laufversuch aufschaute, um sich im Stolz ihrer Familie zu sonnen, bemerkte sie, dass ihr Daddy nicht mehr da war. Sofort veränderte sich ihr Gesichtsausdruck, sie geriet ins Schwanken, kippte um und landete wieder auf dem Allerwertesten.
An dem Tag, als Luke laufen lernte, war Elizabeth im Büro. Edith rief mitten in einem Meeting an, bei dem sie auf keinen Fall gestört werden wollte, und daher erfuhr Elizabeth von dem großen Ereignis erst, als sie nach Hause kam.
Als sie jetzt daran dachte, wurde ihr klar, dass sie ganz ähnlich reagiert hatte wie ihr Vater, und wieder einmal hasste sie sich dafür. Als Erwachsene konnte sie die Reaktion ihres Vaters verstehen – es lag nicht daran, dass er nicht stolz auf seine Kinder war oder dass es ihn nicht kümmerte, nein, es kümmerte ihn viel zu sehr! Zuerst lernen sie laufen, dann fliegen sie weg.
Aber die Erinnerung hatte auch etwas Ermutigendes an sich: Wenn Elizabeth es einmal geschafft hatte, ihre Schwester beim Laufen zu unterstützen, dann konnte sie ihr sicher auch ein zweites Mal wieder auf die Beine helfen.
Mit einem Ruck erwachte Elizabeth aus einem Albtraum, kalt und vor Angst wie erstarrt. Hektisch blickte sie sich in ihrem Zimmer um. Der Mond hatte seine Schicht auf dieser Seite der Welt beendet und war weitergezogen, um der Sonne Platz zu machen. Mit fürsorglichem Blick hatte die Sonne Elizabeth im Auge behalten und ihren Schlaf bewacht. Die silberblaue Lichtspur auf dem Bettzeug war von einem gelben Schein abgelöst worden. Es war fünf nach halb fünf Uhr morgens, und Elizabeth fühlte sich sofort hellwach. Sie stützte sich auf die Ellbogen. Ihre Decke lag halb auf dem Boden, halb war sie um ihre Beine gewickelt. Sie hatte unruhig geschlafen, unfertige Träume waren sprunghaft in andere übergegangen, hatten sich überlappt, Gesichter, Orte, Worte bizarr ineinander verschwommen.
Während sie sich im Raum umschaute, spürte sie, wie Unruhe sie beschlich. Obwohl sie das Haus vor zwei Tagen von oben bis unten geputzt hatte, bis alles blitzte und blinkte, hatte sie plötzlich den Drang, die Aktion zu wiederholen. Aus dem Augenwinkel nahm sie wahr, dass verschiedene Dinge nicht dort waren, wo sie hingehörten. Irritiert rieb sie sich die Nase, die bereits zu jucken begann, und warf entschlossen die Bettdecke von sich.
Unverzüglich begann sie aufzuräumen. Insgesamt lagen tagsüber immer zwölf Kissen auf ihrem Bett, sechs Zweierreihen, bestehend aus normalen, länglichen und runden Kissen, wobei letztere nach vorn platziert wurden. Alle waren aus unterschiedlichem Material, von Kaninchenfell bis Wildleder, alle in Creme-, Beige- und Kaffeetönen. Als das Bett zu ihrer Zufriedenheit arrangiert war, vergewisserte sie sich, dass ihre Kleider in der
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