Zwischen Himmel und Liebe
reden.«
Aber Elizabeth schüttelte den Kopf. »Nein, Mark, ich muss gehen.« Ihre Stimme zitterte.
»Elizabeth, es ist bestimmt mal wieder nur falscher Alarm.« Er lächelte. »Wie viele von diesen Anrufen kriegst du im Jahr? Und es ist immer dasselbe.«
»Aber es könnte auch etwas anderes sein, Mark.« Etwas, was Saoirses Schwester hätte merken müssen, wenn sie alle fünf Sinne beisammen gehabt hätte.
Mark nahm die Hand von ihrem Gesicht. »Tu dir das nicht an.«
»Was tue ich mir denn an?«
»Du lässt dich dazu zwingen, Saoirses Leben wichtiger zu nehmen als dein eigenes.«
»Sei nicht albern, Mark, sie ist meine Schwester, sie
ist
mein Leben. Ich muss mich um sie kümmern.«
»Ach wirklich? Selbst wenn sie sich keinen Dreck um dich kümmert? Selbst wenn es ihr gar nicht gleichgültiger sein könnte, ob du für sie da bist oder nicht?«
Das war wie ein Schlag in den Magen.
»Ich hab ja dich, der sich um mich kümmert«, versuchte sie abzuwiegeln und es allen recht zu machen. Wie immer.
»Aber das kann ich nicht, wenn du mich nicht lässt«, fuhr er sie an, und seine Augen waren dunkel vor Schmerz und Wut.
»Mark!« Elizabeth versuchte zu lachen, brachte es aber nicht fertig. »Ich verspreche dir, dass ich so schnell wie möglich nachkomme, ich muss nur erst mal rausfinden, was da genau passiert ist. Bitte denk drüber nach. Wenn es deine Schwester wäre, dann hättest du den Flughafen schon lange verlassen, du wärst schon bei ihr, während wir hier noch stehen und diskutieren. Du hättest keinen Gedanken auf so ein dummes Gespräch verschwendet.«
»Warum stehst du dann immer noch hier rum?«, fragte er kalt.
Wut und Tränen stiegen gleichzeitig in Elizabeth auf. Sie ergriff ihren Koffer, drehte sich um und ging davon, verließ den Flughafen, setzte sich ins nächstbeste Taxi und fuhr zum Krankenhaus.
Sie hielt das Versprechen, das sie Mark gegeben hatte. Zwei Tage nach ihm nahm sie den Flieger nach New York, holte ihre Habseligkeiten aus der gemeinsamen Wohnung und reichte im Büro ihre Kündigung ein. Als sie nach Baile na gCroíthe zurückflog, tat ihr das Herz so weh, dass sie kaum atmen konnte.
Sechzehn
Inzwischen war Elizabeth dreizehn und gewöhnte sich allmählich an die weiterführende Schule, die sie seit ein paar Wochen besuchte. Es bedeutete, dass sie einen weiteren Schulweg hatte und morgens vor allen anderen aufstehen musste, und da der Unterricht auch länger dauerte, kam sie abends erst in der Dunkelheit heim. Jedes bisschen Zeit, das sie sich abknapsen konnte, verbrachte sie mit der elf Monate alten Saoirse. Anders als der Schulbus, mit dem sie zur Grundschule gefahren war, setzte der jetzige sie am Ende der Straße ab, die zum Farmhaus führte, sodass sie jeden Tag allein den ganzen langen Weg bis zur Haustür zurücklegen musste, wo niemand auf sie wartete, um sie zu begrüßen. Es war Winter, dunkle Morgen und Abende hatten die Herrschaft übernommen und breiteten für die nächsten Monate schwarzen Samt über das Land. Zum dritten Mal in dieser Woche marschierte Elizabeth durch Sturm und Regen die Straße entlang. Ihr Schulrock bauschte sich im Wind und tanzte um ihre Beine, ihr Rücken krümmte sich unter der schweren Schultasche.
Jetzt saß sie im Schlafanzug am Feuer und versuchte wieder warm zu werden, mit einem Auge auf den Hausaufgaben und dem anderen auf Saoirse, die auf dem Boden herumkrabbelte und alles, was ihr in die rundlichen Patschhände kam, in ihr sabberndes Mäulchen stopfte. Ihr Vater war in der Küche und bereitete seinen alltäglichen Gemüseeintopf zu. Porridge zum Frühstück, Eintopf zum Abendessen. Gelegentlich gab es dazu ein dickes Stück Rindfleisch oder einen frischen Fisch, den Brendan an diesem Tag gefangen hatte. Elizabeth liebte solche Tage.
Saoirse gurgelte und plapperte vor sich hin, wedelte mit den Händen und beobachtete Elizabeth, glücklich, dass ihre große Schwester endlich wieder zu Hause war. Elizabeth lächelte ihr zu und gab ermutigende Geräusche von sich, ehe sie sich wieder ihren Schularbeiten zuwandte. Wie sie das in den letzten Wochen oft tat, zog sich Saoirse an der Couch hoch und ging vorsichtig daran entlang, vor und zurück, vor und zurück, und drehte sich dann wieder zu Elizabeth um.
»Komm, Saoirse, du schaffst es.« Elizabeth legte den Stift weg und konzentrierte sich auf ihre kleine Schwester. Seit Tagen schon versuchte Saoirse, durchs Zimmer zu ihr zu laufen, landete aber immer wieder auf ihrem gepolsterten
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