Zwischen Himmel und Liebe
sanft, und sie legte ihre Hand auf meine. Sie hatte zarte Hände mit weicher Babyhaut und langen, schmalen Fingern.
»Ivan«, sagte sie leise. »Dann haben wir ja sogar etwas gemeinsam. Luke ist nämlich auch nicht mein Sohn.« Sie lächelte. »Aber ich finde es großartig von Ihnen, dass Sie sich trotzdem so um Sam kümmern.«
»Nein, Sie verstehen mich immer noch nicht, Elizabeth. Ich habe weder mit Fiona noch mit Sam überhaupt das Geringste zu tun. Die beiden sehen mich nicht so wie Sie, Elizabeth, sie kennen mich nicht mal – das will ich Ihnen damit sagen. Ich bin unsichtbar für Sam und Fiona. Ich bin unsichtbar für alle anderen, außer für Sie und für Luke.«
Tränen traten in Elizabeths Augen, und sie drückte meine Hand noch fester. »Ich verstehe«, flüsterte sie mit zittriger Stimme. Mir war klar, dass sie mit ihren Gedanken kämpfte und irgendetwas sagen wollte, aber nicht die passenden Worte fand. Ihre braunen Augen suchten meine, und nach einem Moment der Stille entspannte sich ihr Gesicht, als hätte sie endlich gefunden, was sie gesucht hatte. »Ivan, Sie haben ja keine Ahnung, wie ähnlich wir uns sind und was für eine Erleichterung es für mich bedeutet, dass Sie so etwas sagen. Ich habe nämlich manchmal auch das Gefühl, dass ich für alle unsichtbar bin, wissen Sie?« Mit trauriger, einsamer Stimme setzte sie hinzu: »Als würde keiner mich kennen und keiner mich so sehen, wie ich wirklich bin … außer Ihnen.«
Sie sah so durcheinander aus, dass ich sie ganz spontan in die Arme nahm. Trotzdem war ich enttäuscht, dass sie mich so komplett missverstanden hatte, was seltsam war, denn bei meinen Freundschaften sollte es nicht um mich gehen und auch nicht um das, was ich will. Und es war bisher auch noch nie um mich gegangen.
Aber als ich mich an diesem Abend allein schlafen legte und mir die Geschehnisse des Tages noch einmal durch den Kopf gehen ließ, begriff ich, dass Elizabeth von allen Freunden, mit denen ich in meinem Leben bisher zu tun gehabt hatte, die Einzige war, die mich wirklich voll und ganz verstand.
Und jeder, der jemals so eine Verbindung mit jemandem gehabt hat, und sei es auch nur für fünf Minuten, der weiß, wie wichtig so etwas ist. Auf einmal hatte ich nicht mehr das Gefühl, dass ich in einer anderen Welt als alle anderen lebte, sondern ich spürte, dass es eine Person gab, eine Person, die ich
mochte
und
respektierte
, die einen Teil meines Herzens besaß und die genauso empfand.
Sie können sich bestimmt vorstellen, wie ich mich in jener Nacht fühlte.
Ich fühlte mich nicht so allein wie sonst. Und noch besser – ich fühlte mich, als schwebte ich.
Zwanzig
Über Nacht hatte das Wetter sich geändert. Die letzte Woche Juni-Sonnenschein hatte das Gras verbrannt, den Boden ausgetrocknet und die Wespen veranlasst, zu Tausenden umherzuschwärmen und allen auf die Nerven zu gehen. Aber am Samstagabend wurde alles anders, die Luft veränderte sich. Der Himmel wurde dunkel, Wolken zogen auf. Typisch irisches Wetter: Im einen Moment eine Hitzewelle und im nächsten Sturm. Zuverlässig in seiner Unzuverlässigkeit.
Elizabeth fröstelte in ihrem Bett und zog sich die Decke bis unters Kinn. Sie hatte die Heizung nicht angestellt, denn obwohl sie sie eigentlich gebraucht hätte, weigerte sie sich in den Sommermonaten trotzig, sie zu benutzen. Draußen schwankten die Bäume im böigen Wind und warfen wilde Schatten auf die Schlafzimmerwände. Das Brausen des Sturms klang, als krachten riesige Wellen gegen Felsklippen. Im Haus klapperten die Türen, im Garten schwang die Hollywoodschaukel quietschend vor und zurück. Alles bewegte sich heftig und unregelmäßig, ohne Rhythmus, ohne Beständigkeit.
Elizabeth dachte an Ivan und fragte sich, warum sie sich zu ihm hingezogen fühlte und warum jedes Mal, wenn sie in seiner Gegenwart den Mund aufmachte, die bestgehüteten Geheimnisse der Welt herauskamen. Sie fragte sich, warum sie ihm so freimütig Zutritt in ihr Haus und ihren Kopf gewährte. Eigentlich war sie gern allein und sehnte sich nicht nach Gesellschaft. Aber bei Ivan war das anders, sie konnte gar nicht genug von ihm kriegen. Sie fragte sich, ob sie nicht lieber ein bisschen auf Distanz gehen sollte, denn schließlich wohnte Fiona nur ein paar Häuser weiter. Ob es für Sam und Fiona vielleicht problematisch war, dass sie sich Ivan so nahe fühlte, auch wenn es sich natürlich nur um Freundschaft handelte? Sie war darauf angewiesen, dass sie Luke hin und
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