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Zwischen jetzt und immer

Zwischen jetzt und immer

Titel: Zwischen jetzt und immer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Dessen
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konnte. Keine Ahnung, was genau ich für eine Antwort erwartete. Doch bestimmt nicht die, die ich bekam.
    »Passe.«
    Zunächst glaubte ich, mich verhört zu haben. »Wie bitte?«
    Wes räusperte sich. »Ich sagte, ich passe.«
    »Warum?«
    Er wandte den Kopf, sah mich an. »Darum.«
    »Was bedeutet darum?«
    »Darum ist darum, weiter nichts. Ich will einfach nicht.«
    »Du weißt, was das bedeutet?«
    Er nickte.
    »Du kennst die Regeln?«
    »Wenn du meine nächste Frage beantwortest   – egal, wie sie lautet   –, hast du gewonnen«, sagte er.
    »Genau.« Ich setzte mich aufrecht hin und wappnete mich für das, was jetzt kam. »Okay, mach.«
    Er atmete einmal tief durch. Ich wartete gespannt. Aber dann sagte er: »Nein.«
    »Nein?«, fragte ich ungläubig. »Was meinst du mit nein?«
    »Mit nein meine ich nein.« Er redete in einem Ton, als wäre ich vollkommen begriffsstutzig.
    »Du musst eine Frage stellen.«
    »Aber nicht sofort«, erwiderte er und schnippte ein Insekt von seinem Arm. »Bei einer derart wichtigen Frage, einer Frage, die für das Gesamtergebnis des Spiels entscheidend ist, kann man sich so lange Zeit lassen, wie man möchte.«
    Ich traute meinen Ohren kaum. »Wer sagt das?«
    »So lauten die Regeln.«
    »Wir haben diese Regeln diskutiert, bis sie uns zu den Ohren rauskamen«, antwortete ich. »Das ist keine offizielle Regel.«
    »Dann ist es eben jetzt eine«, erwiderte er lapidar.
    Ich war völlig platt. Nicht nur wegen seiner Weigerung, die nächste, die entscheidende Frage zu stellen. Alles, was in den letzten fünf Minuten passiert war   – dass ich gesagt hatte, er sei nicht wie alle anderen, dass ich gespürt hatte, wie sich von einer Sekunde auf die andere alles verändern konnte, alles veränderte, bis hin zu dem, was gerade geschah   –, fühlte sich an wie nicht von dieser Welt. So als befände ich mich gar nicht mehr in meinem eigenen Körper.
    »Also gut«, meinte ich. »Aber du darfst dir keine Ewigkeit Zeit damit lassen.«
    »So lange werde ich nicht brauchen.«
    »Wie lange denn?«
    »Auf jeden Fall bedeutend weniger als eine Ewigkeit«, antwortete Wes. Ich schwieg. Wartete, dass er weitersprach. Was er schließlich auch tat. »Vielleicht eine Woche, vielleicht ein bisschen mehr oder weniger. Aber fang auf keinenFall an, mich deswegen zu drängen. Damit würde das ganze Spiel ungültig. Die Frage kommt, wann sie kommen soll.«
    »Noch eine neue Regel«, sagte ich. Nur damit das auch klar war.
    Wes nickte. »Ja.«
    Während ich ihn noch ansah und versuchte zu verarbeiten, was eigentlich genau zwischen uns vorging, kam plötzlich ein Wagen über den Hügel gefahren. Geblendet blinzelten wir ins Scheinwerferlicht. Ich schirmte die Augen mit der Hand ab, um zu erkennen, wessen Auto sich näherte. Meine Mutter. Natürlich hing sie am Telefon und schien uns nicht zu sehen, selbst dann nicht, als sie an uns vorbei über die Auffahrt bis zur Garage fuhr. Erst als sie   – Handy zwischen Ohr und Schulter geklemmt   – ausgestiegen war, fiel ihr Blick auf uns. Sie kniff die Augen zusammen.
    »Macy, bist du das?«
    »Ja«, antwortete ich. »Ich komme gleich. Eine Minute noch.«
    Meine Mutter konzentrierte sich wieder auf ihr Telefonat und lief Richtung Haus, allerdings nicht ohne sich im Gehen nach mir und Wes’ Truck umzudrehen. Sie stieg die Stufen zur Haustür hoch, kramte ihren Schlüssel aus der Handtasche, schloss auf, ging hinein. Kurze Zeit später gingen nacheinander die Lichter im Haus an   – Eingangsbereich, Küche, hinterer Flur   – und markierten so ihren Gang zum Arbeitszimmer.
    Ich hüpfte von der Ladeklappe runter. »Danke für den aufregenden Abend. Auch wenn du mich echt in der Luft hängen lässt.«
    »Du wirst es überleben.« Wes lief zur Fahrertür, stieg ein, setzte sich ans Steuer.
    »Aber lass dir eins gesagt sein: Wenn es vorbei ist, beantrageich etwa zwanzig Zusatzregeln. Und wenn ich damit fertig bin, wirst du das Spiel nicht mehr wiedererkennen.«
    Er schüttelte erst amüsiert den Kopf, lachte dann laut auf. Und ich merkte, dass ich lächelte. Im Grunde war es mir ganz recht, auf die nächste Frage ein wenig warten zu müssen. Was ich ihm gegenüber natürlich nicht zugegeben hätte, in dem Moment nicht und vielleicht überhaupt nie. Das Spiel war mir mittlerweile sehr wichtig geworden. Ich wollte nicht, dass es aufhörte, vor allem nicht so bald. Nicht jetzt. Aber das musste er ja nicht unbedingt wissen. Zumal er nicht danach gefragt

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