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Zwischen jetzt und immer

Zwischen jetzt und immer

Titel: Zwischen jetzt und immer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Dessen
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rief Bert.
    Über den Flur sah ich, wie Wes ihm einen vernichtenden Blick zuwarf.
    »Ich meine, nein danke«, sagte Bert.
    Kristy grinste und fuhr mit der Hand über die Oberfläche der Küchentheke. »Ist das cool. Als wären lauter kleine Diamanten eingelassen. Wie nennt man so was?«
    »Keine Ahnung«, sagte ich.
    Wes warf einen Blick über Kristys Schulter. »Corian
.
«
    »Es ist alles so schön hier«, meinte Kristy begeistert und sah sich in der Küche um. »Wenn Stella die Schnauze voll von mir hat, ziehe ich zu Macy. Hier gibt es fünf Schlafzimmer, aber ich würde sogar in der Gästetoilette schlafen. Ich wette, die ist schöner als unser ganzes Haus.«
    »Überhaupt nicht«, sagte ich.
    Aus dem Wohnzimmer hörte ich die tiefe, sonore Stimme des Moderators, der in bedeutungsvollem Ton verkündete: »Unsere Zukunft, unser Schicksal:
Das Neueste vom Ende der Welt
. Und es steht unmittelbar bevor.«
    »Kommt, Leute, es fängt an«, brüllte Bert.
    »Leiser, Bert, du bist nicht auf dem Sportplatz«, rief Kristy zurück, bevor sie sich auf dem Hocker drehte, auf den sie sich mittlerweile gesetzt hatte, und durch die Schiebetür in den Garten hinausblickte. »Wow! Monica, hast du diese Terrasse gesehen? Und den Swimmingpool?«
    »Mmm-hmmm«, antwortete Monica.
    »Monica steht voll auf Pools«, erklärte Kristy. »Sie kommt überhaupt nicht mehr aus dem Wasser, wenn sie erst mal drin ist. Der sprichwörtliche Fisch im Wasser. Ich bin eher der Typ, der am Rand im Liegestuhl liegt und einen mondänen Drink mit Cocktailkirsche und Sonnenschirmchen schlürft.«
    Ich holte ein paar Coladosen aus dem Kühlschrank, ein paar Gläser aus dem Küchenschrank und füllte sie mit Eiswürfeln. Kristy blätterte mittlerweile durch eine Ausgabe von
Southern Living
, die meine Schwester bei ihrem letzten Besuch hatte liegen lassen. Wes stand an der großen Glasschiebetür zum Garten und blickte versonnen auf die Terrasse. Unvermittelt wurde mir bewusst, wie still es in unserem Haus normalerweise war. Doch es fiel mir erst jetzt wirklich auf, wo der Fernseher lief und Leute zugegen waren. Schon allein dadurch, dass sie in den Räumen standen, saßen und atmeten, schien sich im Haus eine fühlbare Energie zu entfalten, die sonst fehlte.
    »Jetzt geht’s mir besser.« Delia kam durch den Flur in die Küche; ihre Flipflops klatschten schmatzend auf die Fliesen. »Ich hätte nie gedacht, dass es mich mal so glücklich machen würde, einfach nur pinkeln zu können.«
    Der Fernsehmoderator verkündete: »Wodurch wird es ausgelöst werden   – das
Ende der Welt
!?«
    Kristy blätterte eine Seite um und meinte: »Wetten, dassdieses Zimmer jeden Scheußlichkeitswettbewerb gewinnen würde! Ich meine, schaut euch das doch mal an. Ein Traum aus karierter Baumwolle. Krass.«
    »Macy?«
    Ich fuhr heftig zusammen und drehte mich um. Meine Mutter, einen Aktenordner in der Hand, stand unter dem Bogen im Flur, der zu ihrem Arbeitszimmer führte. Sie war also die ganze Zeit hier gewesen, ohne dass ich es bemerkt hatte, und hatte sich angeschlichen, als wollte sie bei Wes’ und Berts Spiel mitmischen, Buh machen, mich erschrecken. Es war ihr gelungen. Mein Herz schlug wie rasend.
    »Hi, Mama«, sagte ich. Was gar nicht so ertappt klingen sollte, wie es klang.
    »Hallo.« Doch dabei sah sie nicht mich an, sondern ließ ihre Blicke wandern, registrierte Bert und Monica vor dem Fernseher, Wes neben der Gartentür, Delia, die sich gerade zum Sofa schleppte, und Kristy, nach wie vor in die Zeitschrift vertieft. »Mir war plötzlich so, als würde ich Stimmen hören.«
    »Wir sind erst seit kurzem hier.« Sie kam herein und legte den Ordner auf die Arbeitsplatte neben dem Kühlschrank. Ich blickte ihr entgegen und fuhr fort: »Ich habe meinen Freunden angeboten, eine Fernsehsendung bei uns anzuschauen, die sie sonst verpasst hätten. Ich hoffe, das ist okay.«
    »Natürlich.« Plötzlich klang ihre Stimme überfreundlich. Künstlich. Gezwungen. »Ich wollte deine neuen Freunde schon lange kennen lernen.«
    Prompt blickte Kristy auf. Setzte sich kerzengerade hin, streckte die Hand aus: »Kristy Palmetto.«
    Meine Mutter, ganz Profi, ergriff zunächst automatisch Kristys Hand, um sie zu schütteln. Erst dann blickte sie Kristy direkt ins Gesicht, entdeckte die Narben. »Ach . . .hallo.« Sie stolperte ein wenig über das Hallo. Doch wie ich nicht anders erwartet hatte, erholte sie sich rasch vom ersten Schreck; und als sie weitersprach, war ihr Ton glatt.

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