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Zwischen jetzt und immer

Zwischen jetzt und immer

Titel: Zwischen jetzt und immer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Dessen
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einanderwachsam, fast misstrauisch, aber höflich. Bis wir alle schlafen gingen. Beziehungsweise ich wie üblich nicht einschlafen konnte. Nachdem ich mich eine Stunde oder so im Bett hin- und hergewälzt hatte, kletterte ich auf das Dach vor meinem Fenster und betrachtete Wes’ Skulpturen auf der Wiese unter mir. Sie kamen mir in dieser Umgebung so fremd vor, als wären sie vom Himmel gefallen.
    Irgendwann ging ich wieder ins Bett und schlief doch ein, wurde allerdings gegen drei Uhr früh von einem Windstoß geweckt, der durch mein geöffnetes Fenster blies. Auch wenn meine Mutter es anders geplant hatte   – das Wetter schlug offensichtlich um. Ich setzte mich im Bett auf, schob den Vorhang beiseite und blickte übers Dach hinweg in unseren Vorgarten.
    Die beweglichen Teile der Skulpturen   – und jede hatte welche   – drehten sich wie verrückt im Kreis. Wirbelten, schwirrten, pfiffen, lärmten, sausten. Das Geräusch war ohrenbetäubend und verdrängte alles andere. Wie ich überhaupt dabei hatte schlafen können, war mir ein Rätsel. Ich legte mich wieder auf mein Kissen und hörte zu. Mindestens eine Stunde. Wartete, dass der Wind abnahm. Aber der Wind nahm nicht ab, das Geräusch hörte nicht auf. Im Gegenteil, es wurde eher lauter und ich dachte, ich würde nie in meinem Leben wieder einschlafen. Aber irgendwie passierte es dann doch.
     
    Macy! Wach auf.
    Hastig richtete ich mich auf. Die Stimme meines Vaters hallte in meinem Kopf wider. Ich träume nur, sagte ich mir; doch in meinem Zustand zwischen Schlafen und Wachen war ich mir dessen nicht ganz sicher.
    Beim letzten Mal, als ich diese Worte im Halbschlaf gehörthatte, war es Winter gewesen. Kalt, kahle Bäume. Jetzt blies ein starker, süß duftender Sommerwind. Traum, entschied ich, glitt wieder zwischen meine Laken, legte den Kopf aufs Kissen, schloss die Augen. Aber genau wie beim letzten Mal vor anderthalb Jahren überkam mich ungefähr drei Minuten später der unwiderstehliche Drang, doch aufzustehen.
    Ich ging zum Fenster, schaute hinaus   – und traute im ersten Moment meinen Augen nicht. Aber nachdem ich einmal und dann gleich noch einmal heftig geblinzelt hatte, um sicherzugehen, dass ich wirklich nicht mehr träumte, musste ich mir eingestehen, dass Wes wirklich dort unten in unserem Garten stand; seinen Truck hatte er vor dem Haus am Bordstein geparkt. Es war sieben Uhr morgens. Und was tat Wes? Betrachtete seine Skulpturen, seine Windspiele, wie sie sich drehten und wirbelten. Als ich mich näher zum Fliegengitter vor dem Fenster beugte, um ihn besser sehen zu können, blickte er auf und entdeckte mich.
    Einen Moment lang starrten wir einander regungslos an. Dann holte ich ein T-Shirt und ein Paar Shorts aus der Kommode, streifte beides rasch über, lief auf Zehenspitzen die Treppe hinunter und durch die Haustür nach draußen.
    So wie der Wind mit den Skulpturen spielte, bekam man das Gefühl,
alles
wäre in Bewegung. Der Torf, den die Gärtner am Rand der Blumenbeete entlang aufgehäuft hatten, war über die ganze Wiese bis weit auf die Straße geweht worden. An mehreren Stellen fegten kleine Wirbelstürme aus Blütenblättern und Grasabfällen mit den Windstößen über den Rasen. Und im Zentrum dieses Aufruhrs stand Wes. Stand nun auch ich, zwischen uns nichts als die paar Meter Gartenweg.
    »Was machst du hier?« Ich musste fast brüllen, um gegenden Sturm anzukommen, hatte das Gefühl, meine Stimme würde sofort auf und davon getragen. Doch meine Frage hörte er trotzdem.
    »Ich wollte noch etwas vorbeibringen«, rief er zurück. »Ich dachte nicht, dass schon jemand wach sein würde.«
    »War ich auch nicht«, antwortete ich. »Zumindest nicht bis gerade eben.«
    »Ich habe versucht dich anzurufen.« Er trat einen Schritt auf mich zu, ich tat es ihm gleich. »Ein paar Mal, in den Tagen nach jenem Abend, du weißt schon . . . Warum bist du nie ans Telefon gegangen?«
    Eine weitere starke Böe ließ meine Shorts um meine Beine flattern. Das ist ein richtig starker Sturm, dachte ich und schaute mich ein wenig skeptisch um, bevor ich antwortete: »Ich weiß auch nicht so genau.« Mit beiden Händen hielt ich mir meine Haare aus dem Gesicht. »Ich dachte bloß . . . mir kam es irgendwie so vor, als wäre plötzlich alles anders geworden.«
    »Anders.« Er trat noch einen Schritt auf mich zu. »Du meinst, am vierten Juli? Zwischen uns beiden?«
    »Nein«, antwortete ich, was ihn zu überraschen, ja irgendwie sogar zu verletzen

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