Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwischen jetzt und immer

Zwischen jetzt und immer

Titel: Zwischen jetzt und immer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Dessen
Vom Netzwerk:
das stimmt.«
    Wahnsinn, dachte ich und wusste gleichzeitig, ich hätte sofort was darauf erwidern sollen, egal was. Aber Kristy, Bert und Monica näherten sich. Chance verpasst.
    »Noch zwanzig Minuten bis zur Sperrstunde«, verkündete Bert, während er auf seine Armbanduhr blickte. »Wir müssen los.«
    »Oh nein, Hilfe!«, spottete Kristy. »Vielleicht musst du ausnahmsweise mal vierzig fahren, damit wir rechtzeitig daheim sind.«
    Bert schnitt eine Grimasse, lief zur Fahrertür und öffnetesie. Monica kletterte hinten rein und ließ sich aufs Sofa fallen, unmittelbar gefolgt von mir und Kristy.
    »Worüber habt ihr zwei denn so geredet?«, flüsterte Kristy mir zu, während Wes die Türen hinter uns zuzog.
    »Über gar nichts«, antwortete ich. »Übers Laufen.«
    »Du hättest dein Gesicht sehen sollen.« Ihr Atem drang heiß an mein Ohr. »Ich sage nur: bäng!«

Kapitel 8
    »Achtung . . .« Caroline drückte den Selbstauslöserknopf der Kamera und kam auf uns zugestürzt, um sich rechtzeitig neben meine Mutter zu setzen. »Und jetzt   – lächeln!«
    Samstagmorgen. Meine Schwester war am Vorabend angekommen, nachdem sie den ganzen Tag in Colby verbracht hatte, um mit dem Schreiner über die Renovierung und die Reparaturen zu reden, die in unserem Haus am Meer durchgeführt werden mussten. Mit so was kannte sie sich aus; sie hatte schon ihr eigenes Haus auf Vordermann bringen lassen, plus die Blockhütte, die Wally und sie in den Bergen besaßen. Tief im Herzen fühlte sie sich zur Innenarchitektin berufen, seit ihr ein Kunstlehrer am College ein »gutes Auge« bescheinigt hatte   – ein Kompliment, das Caroline ihrer Meinung nach das Recht gab, nicht nur ihre eigenen Häuser, sondern auch die der übrigen Menschheit zu verschönern.
    Obwohl also meine Mutter gerade erst einen Fuß an Bord gesetzt hatte   – was in sich schon ein kleines Weltwunder war, fand ich jedenfalls   –, hatte Caroline den Kessel angeheizt und fuhr bereits mit Volldampf voraus. Sie hatte nicht nur ihre gesammelten Bücher über Innenarchitektur und Renovierung mitgebracht, sondern mit Wallys Digitalkamera in unserem Haus am Meer jede Menge Bilder aufgenommen,damit wir die geplanten Neuerungen und Veränderungen gleich buchstäblich vor Augen hatten.
    »Wenn man eine Renovierung aus der Ferne beaufsichtigen muss, kommt man ohne die Dinger nicht mehr aus.« Beim Sprechen schloss Caroline die Digitalkamera an den Fernseher an. »Ich weiß gar nicht mehr, wie wir das früher ohne geschafft haben.«
    Sie drückte auf einen Knopf. Der Bildschirm wurde schwarz. Doch plötzlich tauchte wie aus dem Nichts das Ferienhaus vor uns auf, und zwar vom Strand aus gesehen. Die Veranda mit der wackeligen Holzbank; die Treppe über die Düne; der alte Grill unter dem Küchenfenster. Auf der einen Seite hatte ich das Gefühl, es wäre ewig her, seit ich das alles gesehen hatte. Andererseits war es mir immer noch so vertraut, dass es fast körperlich schmerzte. Und so konkret, dass man sich gut vorstellen konnte, meinen Vater zu entdecken, wenn man nur genau genug hinsah. Ja, man würde ihn durchs Fenster sehen, wie er sich auf dem Sofa fläzte, Zeitung las und unvermittelt den Kopf drehte, als hätte er gerade gehört, dass jemand seinen Namen rief.
    Meine Mutter hielt sich mit beiden Händen an ihrem Kaffeebecher fest und starrte stumm auf das Bild. Zum wiederholten Mal fragte ich mich, ob und wie sie diese Aktion wohl durchstehen würde. Ich warf einen Blick zu meiner Schwester hinüber und bemerkte, dass sie unsere Mutter ebenfalls beobachtete. Schließlich sagte sie behutsam: »So sieht es jetzt dort aus. Auf der einen Seite hängt das Dach ein bisschen durch, und zwar anscheinend schon seit dem letzten großen Sturm.«
    Meine Mutter nickte stumm.
    »Es braucht neue Stützen, Sparren und auch ein paar Schindeln. Außerdem meint der Schreiner, da sowieso einGerüst gebaut werden müsse, sollten wir gleich überlegen, ob wir vielleicht ein Oberlicht einbauen lassen oder so etwas. Ihr wisst ja, die Fenster sind so klein, dass es im Wohnzimmer ziemlich dunkel ist. Darüber hast du dich doch sowieso dauernd beschwert, Mama.«
    Ja, meine Mutter hatte im Wohnzimmer eigentlich immer alle Lampen angemacht, auch tagsüber, weil sie fand, es wäre da drinnen so finster wie in einer Höhle. (»Ist doch prima, kann man besser ein Nickerchen halten«, hatte mein Vater jedes Mal dagegengehalten und war prompt leise schnarchend auf dem Sofa eingeschlafen.)

Weitere Kostenlose Bücher