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Zwischen Krieg und Terror

Titel: Zwischen Krieg und Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Tilgner
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gesamtirakischen Demokratisierungsprozess zu legen. Es rächen sich die unverantwortlichen Fehler des US-Verteidigungsministeriums, beim politischen Neuanfang auf eine im Ausland aufgebaute Soldateska und unpopuläre Exilpolitiker zu setzen.
    Bereits zehn Tage nach der Besetzung Bagdads bemühte sich Zivilverwalter Garner, der Vorgänger Bremers, eine neue irakische Führung zu etablieren. In Ur, vor viertausend Jahren politisches Zentrum der Sumerer, einem historischen Ort im Südirak unweit der Stadt Nasiriyah, trafen Vertreter der US-Regierung in einem klimatisierten Zelt auf eine Gruppe irakischer Exilpolitiker, um über die weitere Entwicklung zu debattieren. Mit Hubschraubern wurden Einheiten der Free Iraqi Forces eingeflogen, die sich in ihren Kampfanzügen als Keimzellen einer neuen irakischen Armee gerierten. Doch es lief nicht so, wie die Amerikaner es sich vorgestellt hatten. Selbst der vom Pentagon für eine Spitzenstellung im politischen System des neuen Irak vorgesehene Ahmad Chalabi schickte nur einen Vertreter, da er sich durch eine Teilnahme nicht der Kritik aussetzen mochte. In der nahe gelegenen Stadt Nasiriyah demonstrierten Tausende gegen das Treffen zwischen den Vertretern der USA mit den aus dem Exil zurückgekehrten Gegnern Saddam Husseins.
    Den USA gelingt es nicht, das politische Vertrauen der politischen Elite Iraks zu gewinnen, die im Lande seit Jahren auf den Sturz des Diktators gehofft hat. Welche Ausmaße das Desaster des politischen Neuanfangs annimmt, zeigt sich, als Zivilverwalter Bremer die Auflösung der Free Iraqi Forces anordnet, da sich Angehörige der Truppe an Plünderungen beteiligen und in kriminelle Aktionen verwickelt sind. Nach Pentagongünstling Chalabi wird sogar für einige Tage mit Haftbefehl gefahndet - er soll unter anderem für eine Ladung alter irakischer Dinare, die mit Lastwagen zu einer Verbrennungsanlage transportiert worden war, doppelt und dreifach kassiert haben, weil die Ladung nicht beim ersten Mal verbrannt wurde. Dass Chalabi, hinter dem auch Jordaniens Justiz wegen Bankbetrugs her ist, in den Ruch gerät, auf solche dreiste Art sein Vermögen zu mehren, zeigt, wie schlampig die US-Regierung bei der Auswahl ihrer Partner zum Neuaufbau Iraks vorgegangen ist. Washington hat sich schlicht als unfähig erwiesen, erfolgversprechende Politiker oder Parteien, die ein gesamtirakisches Programm vertreten, aufzubauen. Iyad Allawi, Ministerpräsident in der Übergangsregierung, scheiterte mit seiner Irakischen Liste bei den Wahlen möglicherweise auch, weil er von den USA unterstützt wurde.
    Ohne eine gesamtirakische Perspektive werden sich die politischen Kräfte, die auf eine Aufteilung Iraks dringen, langfristig durchsetzen. Drei Jahre nach dem Sturz Saddam Husseins ist der Auflösungsprozess im Lande bereits so weit fortgeschritten, dass dessen Einheit nur noch durch die schnelle Entwicklung föderaler Strukturen gesichert werden kann. Eine Selbstverwaltung der drei großen Regionen Iraks, die von Kurden, Sunniten und Schiiten gebildet werden, bietet die Möglichkeit einer langfristigen Zusammenarbeit zwischen den verfeindeten Bürgerkriegsparteien. Die von Ministerpräsident Maliki begonnene Politik der nationalen Versöhnung ist ein Schritt auf dem Wege, die Grundlagen für einen diesbezüglichen Konsens zu schaffen, und möglicherweise die letzte Chance, den Zusammenhalt Iraks politisch und nicht nur militärisch zu sichern.
    In den drei Jahren seit dem Einmarsch in den Irak hat sich erwiesen, dass die USA gescheitert sind, den Krieg als Mittel für die Reformierung und Demokratisierung eines Landes im Mittleren Osten zu nutzen. Trotz aller Absichtserklärungen und vermeintlicher Erfolgsmeldungen wurde der Terrorismus nicht geschwächt - im Gegenteil: Das Land hat sich nach dem Einmarsch der US-Truppen zu einer Brutstätte des internationalen Terrorismus gewandelt. Seit dem Ende der Diktatur Saddam Husseins sind im Irak mehr Menschen bei Terroranschlägen getötet worden als während des gleichen Zeitraums in allen anderen Ländern der Welt zusammen. Auch politisch hat das Auftreten der USA im Irak keinen Abbau der Spannungen zwischen dem Abend- und dem Morgenland gebracht, sondern den Konflikt nur noch verschärft.

7
    Rückschläge in Afghanistan
    Mit Erleichterung und Freude hatten die meisten Afghanen auf den Sturz der Taliban reagiert. Nach den Angriffen der

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