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Zwischen Krieg und Terror

Titel: Zwischen Krieg und Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Tilgner
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errichtete Verwaltungsgebäude bezogen haben, ist es nicht gelungen, ihre Arbeit systematisch auf alle Landesteile Afghanistans auszuweiten. So wird ein großer Teil der internationalen Hilfsgelder von weitgehend wirkungslos agierenden Bürokratien der Hilfsorganisationen und Ministerien aufgezehrt. Nicht wenige Afghanen sind über Korruption und Vetternwirtschaft der Beamten empört, wobei sich in der Hauptstadt der Unmut jedoch in Grenzen hält, weil gut die Hälfte der Einwohner Tadschiken sind. Diese in Zentral-asien beheimatete Volksgruppe, die eigentlich nur ein Drittel der afghanischen Bevölkerung ausmacht, hat nach dem Sturz der Taliban wichtige Schlüsselpositionen im Staatsapparat besetzt. Denn vor allem waren es von Tadschiken gestellte Verbände der Nordallianz, die im November 2001 nach Kabul vorstießen. Heute nutzen auch die Tadschiken ihre Positionen, um sich zu bereichern und ihre Verwandten und Bekannten bei den Behörden unterzubringen. Zahlreiche Bewohner Kabuls profitieren somit von diesen Mauscheleien, und für die Stadt bedeuten sie eine gewisse soziale Entlastung, da die Verteilung von Geldern in den Stämmen und Clans eine zusätzliche Möglichkeit für die Versorgung der Bewohner schafft.
    In dem Maße, in dem die Tadschiken nach dem Sturz der Taliban an Macht und Einfluss hinzugewannen, verringerten sich diese bei der Bevölkerungsgruppe der Paschtunen. Viele mussten nach dem Ende des Talibanregimes fliehen, andere wurden vertrieben. Auch in Kabul ist diese Verdrängung der Paschtunen vor allem in den von ihnen bewohnten Stadtteilen zu spüren. Tatsächlich ist es eines der großen Verdienste der ISAF-Truppen, in der Hauptstadt einen neuen Bürgerkrieg oder zumindest bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen zwischen Paschtunen und Tadschiken verhindert zu haben. Doch die Gründe für die Erbitterung wurden nicht ausgeräumt, und die treten vor allem in den Paschtunengebieten im Süden des Landes deutlich zutage. Systematisch nutzen die Taliban diese Unzufriedenheit und den Wunsch nach Wiedererlangung einstiger Macht und Einflussnahme für ihren Kampf gegen ausländische Soldaten und das neue Regierungsestablishment.
    Wenn die Angehörigen der eigenen Volksgruppe nicht mehr angemessen im Zentrum der Macht vertreten sind, dann gelingt es leichter, den Unmut gegen die staatliche Zentralgewalt anzuheizen. Auch Staatspräsident Hamid Karzai, selbst ein Paschtune, kann den Prestigeverlust und das zunehmend geringere Ansehen seiner Regierung nicht aufhalten, zumal er sich auf viele korrupte Gouverneure und dubiose Warlords stützt. Daran ändert auch nichts, dass er in Erklärungen entschlossene Maßnahmen zur Beseitigung der Korruption verkündet, »selbst wenn dies die höchsten Ränge der Regierung betrifft« 1 . Von den anfänglichen Hoffnungen, die Zentralregierung werde langfristig die Schwierigkeiten des Landes schon bewältigen, ist nur noch wenig geblieben. So entwickelt sich die Hauptstadt Kabul mehr und mehr zu einer Insel in der Mitte vieler von Regionalfürsten und Aufständischen kontrollierten Provinzen.
    Gleichzeitig verstärkt der scharfe Kontrast zwischen der von Ausländern in der Hauptstadt geführten westlichen Lebensweise und dem Überlebenskampf der Armen in den Vorstädten den Ruf nach Befolgung der religiösen Regeln. Selbst in Kabul wird die Forderung nach einer Wiedereinführung der Religionspolizei lauter. Ihre Aufgabe soll es sein, die Einhaltung der islamischen Bekleidungsvorschriften und des Alkoholverbots zu überwachen und dem Verfall von Sitte und Moral entgegenzuwirken. Diese Ablehnung westlicher Lebensformen versuchen die Taliban für sich zu nutzen, um verlorenes Terrain in der afghanischen Gesellschaft zurückzugewinnen. Und ihre Propaganda zeigt Wirkung. Nach Informationen des UN-Kinderhilfswerks UNICEF gab es in der ersten Jahreshälfte 2006 hundert Anschläge auf Mädchenschulen oder deren Lehrer und Schülerinnen.

Drogenbarone, Warlords und die Taliban
    Eines der Hauptprobleme Afghanistans stellt die Herstellung von Drogen dar - fehlende oder verfehlte Hilfe treibt die Bauern zum Mohnanbau. Aus dem getrockneten weißen Saft der reifen Kapseln lassen sich braune Fladen formen, das Rohopium. Wie Schokoladenriegel portioniert, können sie in den Anbaugebieten bereits als Zahlungsmittel genutzt werden, wobei das Rauschgift in

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