Zwischen Krieg und Terror
zu führen, um ein neues Kalifat zu errichten. Die Besetzung Iraks durch die Vereinigten Staaten bietet Al Kaida die Chance, Bündnisse mit anderen politischen Kräften zu schlieÃen, die gegen die US-Soldaten kämpfen. In Zarqawi erwächst Bin Laden ein Partner, dem es nicht zuletzt wegen seiner Brutalität und seines taktischen Geschicks gelingt, mit Kräften des gestürzten Regimes und mit islamischen Widerstandsgruppen zu kooperieren. Doch anders als diese will die von Zarqawi gegründete Al Kaida Irak nicht einen Neuaufbau des Landes ohne ausländischen Einfluss, sondern die Schaffung von Einflusszonen und Bastionen, von denen aus der Kampf fortgesetzt werden kann. Neben abgelegenen Stammesregionen Süd- und Ostafghanistans, den Berggebieten von Waziristan in Westpakistan und Camps im Kaukasus wollen die Terroristen auch Irak als sichere Basis für ihr weltweit operierendes Netzwerk nutzen.
Hatten die Taliban 1996 mit der Eroberung Kabuls den Bürgerkrieg in Afghanistan beendet und das Land geeint, so setzt Al Kaida alles daran, im Irak den Bürgerkrieg auszulösen und anzufachen. In der Zerstörung staatlicher Strukturen sehen die Terroristen eine Chance, ihren Machteinfluss zu vergröÃern. Deshalb flankieren sie ihren Kampf gegen die US-Streitkräfte mit Angriffen auf die Regierung in Bagdad und die irakischen Sicherheitskräfte sowie mit geheimen Terroraktionen gegen die Schiiten und politische Konkurrenten. Der Aufbau demokratischer Strukturen soll um jeden Preis unterbunden werden. Die Terroristen betrachten es als ihr oberstes Ziel, den Neuaufbau der Gesellschaft scheitern zu lassen, hinter dem die Vertreibung der US-Truppen zweitrangig wird. US-Präsident Bush betont die Notwendigkeit, starke Strukturen zu schaffen. Mit seiner Entscheidung im Juli 2006, keine US-Einheiten abzuziehen, sondern die Zahl der im Irak eingesetzten Soldaten noch einmal zu erhöhen, will er den Erfolg der Terroristen durch den Einsatz militärischer Mittel verhindern.
Wenn er diesen Feldzug aber zur entscheidenden Auseinandersetzung des 21. Jahrhunderts erklärt 6 und ihn in den Rang des Kampfes gegen den Faschismus und den Kommunismus erhebt, so versucht er, seinen Krieg gegen den Terror als einzige Möglichkeit darzustellen.
Dabei hat gerade das Vorgehen der US-Truppen im Irak die Bildung einer Front unter ihren Gegnern ermöglicht. Al Kaida hat es nicht nur geschafft, eine starke Organisation im Irak aufzubauen, sondern zusammen mit anderen terroristischen Organisationen auch Teil des Bündnisses gegen die ausländischen Truppen und die Regierung in Bagdad zu werden. Mitglieder von Al Kaida können sich relativ ungehindert in den von dieser Front kontrollierten Gebieten bewegen und dort ihre Angriffe oder Anschläge vorbereiten. Ihnen ist es gelungen, Terror gegen Zivilisten zu organisieren und diese Art des Kampfes überhaupt erst in die Auseinandersetzung einzuführen. Gäbe es nicht die Bekennervideos mit den Aufnahmen von den Anschlägen oder den Erklärungen von Selbstmordattentätern, so wäre es vielfach gar nicht möglich, die Täter zu benennen. Zu sehr haben sich die Kampfformen der unterschiedlichen Gruppen der Anti-US-KOALITION in den drei Jahren nach dem Sturz Saddam Husseins angeglichen. Versuche, eine offene politische Organisation aufzubauen, die sich an der Auseinandersetzung beteiligt, zeigen, wie bewusst die Vernetzung betrieben wird. Zarqawi hatte schon immer Kontakte zu anderen politischen Gruppierungen. Die angeblich gefundenen Nummern auf seinem Mobiltelefon deuten darauf hin, dass er bis in Parlamentskreise vernetzt war.
Auch in Afghanistan gelingt es Al Kaida, sich zu stabilisieren. Trotz aller Bestrebungen, sie zu zerschlagen, besteht das Bündnis mit den Taliban weiter. Damit profitiert Bin Ladens Organisation von den Erfolgen der Talibanführung, zerstrittene Flügel wieder zu einigen und mit verschiedenen Stämmen und politischen Organisationen ein Bündnis gegen die Anwesenheit der NATO-Truppen in den südlichen Regionen des Landes aufzubauen. Erfahrene Kommandeure, die bereits in den achtziger Jahren erfolgreich gegen die Sowjettruppen gekämpft haben, befehligen jeweils Tausende von Kämpfern. Auch diese Konfrontation ist das Ergebnis einer gescheiterten Politik. Ausländische Spezialisten haben es nicht vermocht, die Infrastruktur zu erneuern und eine von der Mohnproduktion unabhängige
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