Zwischen Krieg und Terror
Vertreter der Organisation entscheiden in Absprache mit den Dorfräten und Stammesvertretern, welche Projekte gebaut oder gefördert werden - und das in einem Gebiet, dessen Alltag drei Jahre zuvor noch von Al-Kaida-Kommandos und Talibanmilizen diktiert wurde. So konnten auch groÃe Mädchenschulen, die die Taliban Mitte der neunziger Jahre geschlossen hatten, dank deutscher Spendengelder wieder eröffnet werden. Lehrerinnen erhalten monatliche Zusatzzahlungen als Anreiz, nicht mit ihren Familien nach Kabul abzuwandern. Denn die staatlichen Gehälter reichen gerade aus, um im Monat zwölf Kilo Fleisch zu kaufen.
Solange die Lebensbedingungen in weiten Teilen der ländlichen Regionen von ehemaligen Warlords abhängen, stehen die Chancen für die Taliban, sich zu reorganisieren, gar nicht so schlecht. Denn diese Provinzfürsten, die schon einmal von den Taliban vertrieben worden waren, nutzen nur zu oft staatliche Gelder, die ihnen ursprünglich für die Entwicklung der von ihnen kontrollierten Gebiete anvertraut waren, nicht zur Entwicklung der Infrastruktur, sondern zum Aufbau ihrer Privatarmeen. Mag Präsident Karzai auch einer korrupten Regierung vorstehen, mag sein Bruder in Drogengeschäfte verwickelt sein - sein Appell an die internationale Gemeinschaft, in ihrem Kampf gegen die Terroristen umzudenken und einen anderen Ansatz zu wählen, hat einen ernsten Hintergrund. Hunderte Tote in wenigen Wochen bei den Kämpfen im Süden des Landes sind für den afghanischen Staatschef nicht akzeptabel. »Wenn man nicht die Wurzeln des Terrors beseitigt, wird schlieÃlich wieder der Westen darunter leiden«, mahnt Karzai.
Dritter Teil
Dialog statt Krieg
8
Al-Kaida-Terror im Irak ignoriert
Durch Zweifler lässt sich US-Präsident Bush von seinem Krieg gegen den Terror nicht abbringen. Er sieht die Vereinigten Staaten auf dem richtigen Weg. Ãberall in der Welt entstünden Demokratien, der Feind habe keine Rückzugsorte mehr. »Wir können den Krieg gegen den Terror gewinnen« 1 , lautet seine Bilanz. Doch der US-Präsident hat Unrecht. Denn Al-Kaida-Anhänger verfügen über Schlupfwinkel in Pakistan, Afghanistan und Irak. Der von den USA geführte Feldzug gegen den Terrorismus ist keineswegs erfolgreich, wie Bush suggerieren will. In Afghanistan steht die Regierung vor dem Zusammenbruch, dem Irak droht der Zerfall, und bei einer Eskalation des Irankonflikts könnte der gesamte Mittlere Osten zum Rückzugsraum für Terroristen werden.
Zwei Entwicklungen kann der Präsident für seine beschönigende Darstellung nutzen. Nur zu oft werden sie übersehen, und genau darauf scheint Bush zu setzen. Einerseits gelingt es den Sicherheitsdiensten der USA und der europäischen Staaten immer wieder, groÃe Anschläge zu verhindern. Es ist nicht die Schwäche der Terroristen, die zu einer relativen Ruhe in den Ländern der westlichen Welt geführt hat, sondern die gute Arbeit der Geheimdienste verhindert Attentate, die den Terror in die USA und nach Europa bringen.
Andererseits erwähnt er nicht, dass sich die Zahl der Opfer terroristischer Anschläge im Mittleren Osten seit dem Beginn des »Krieges gegen den Terrorismus« vervielfacht hat. So fehlen in vielen offiziellen Aufstellungen der US-Regierung die groÃen Anschläge aus dem Irak; erst 2005 werden die Opfer der Terroranschläge im Irak berücksichtigt. In den Jahren zuvor wurde die Situation verharmlost. Im Terrorismusbericht für das Jahr 2003 heiÃt es: »Irak konnte von dem von Abu Mussab Al Zarqawi geleiteten Netzwerk nicht mehr länger als Rückzugsgebiet genutzt werden.« 2 Auch US-Verteidigungsminister Rumsfeld spart noch im Februar 2006 den Terror in Irak aus, wenn er die Orte groÃer Anschläge nennt. Selbst wenn Rumsfeld über Al Kaida spricht, leugnet er einen Zusammenhang zwischen diesen Anschlägen und dem Einsatz seiner Truppen im Irak: »Und es ist wert, darauf hinzuweisen, dass diese Nationen von Terroristen angegriffen wurden, obwohl sie keine Truppen im Irak haben. Somit erweist sich jedes Argument, dass Irak ein Auslöser war, als nicht mit den Tatsachen übereinstimmend.« 3 GröÃer kann eine Irreführung kaum sein, denn im Irak ermorden Kommandos der Al Kaida bei Anschlägen hunderte Zivilisten. Gleichzeitig sind Terroristen aus den unterschiedlichsten Ländern, die von Rumsfeld genannt werden, in Irak
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