Zwischen Leidenschaft und Liebe
Hochland sah, würde sie zum Weinen bringen.
Sie cremte sich das Gesicht ein, ging ins Bett und versuchte einzuschlafen. Ein lautes Geräusch ließ sie zusammenfahren. Im Zwielicht, das im Zimmer herrschte, sah sie, wie sich das große Porträt an der Wand bewegte, und wußte, daß sich die Tür zum Geheimgang öffnete.
Sie vergaß ihre Erschöpfung, sprang aus dem Bett und rannte zur Geheimtür. »Trevelyan!« keuchte sie.
Doch unter der Geheimtür stand nicht Trevelyan, sondern ihre Schwester mit einer Kerze in der Hand.
Claire drehte sich von ihr weg. »Du solltest im Bett sein«, sagte sie müde und begab sich zu ihrem eigenen Lager zurück.
Brat schloß die Geheimtür, stellte die Kerze auf den Nachttisch und kletterte auf das Vier-Pfosten-Bett. »Du bist eine Jägerin geworden, wie ich hörte.«
»Eine regelrechte Diana«, murmelte Claire und schnitt bei Brats ratlosem Blick eine Grimasse. »Wenn du dich jemals dazu bequemt hättest, ein Buch aufzuschlagen, würdest du wissen, daß Diana die Göttin der Jagd ist.«
Brat lächelte ihre Schwester an. »Ich wette, Harry weiß alles über Götter und Göttinnen. Ist es das, worüber ihr den ganzen Tag redet? Oder versucht ihr herauszufinden, wer von euch beiden bessere Kenntnisse in der französischen und italienischen Sprache hat? Vielleicht diskutiert ihr auch über Politik und Religion. Oder hältst du ihm Vorträge über die Geschichte Schottlands? Vielleicht sprecht ihr ja auch über all die Dinge, die du hier verändern möchtest, wenn du erst einmal Herzogin bist.«
Claires Lippen wurden schmal. »Würdest du jetzt bitte in dein Bett gehen?«
»Worüber redest du nun die ganze Zeit mit Harry?«
»Das geht dich zufälligerweise nichts an.«
Brat streckte sich am Fußende des Bettes aus. »Hast du inzwischen mit Captain Baker gesprochen?«
»Nein, das habe ich nicht, und ich habe es auch nicht vor. Um die Wahrheit zu sagen - ich war so beschäftigt, daß ich nicht einmal an ihn gedacht habe.«
Brat drehte sich auf den Rücken, verschränkte die Hände hinter dem Kopf und blickte zum Betthimmel hinauf. »Ich dachte, Trevelyan wäre der ungewöhnlichste Mann, den ich jemals in meinem Leben getroffen habe. Hast du all die Sachen gesehen, die er in seinem Zimmer hat? Er muß viel in der Welt herumgekommen sein.«
»Wenn du hier nicht nur deine Zeit damit verbracht hättest, an fremden Türen zu horchen, sondern ein paar von Captain Bakers Büchern gelesen hättest, würdest du ganz genau wissen, wie viele Orte er auf der Welt besucht und was er alles gesehen hat. Er ist ein großer Mann.«
»Warum warst du dann so böse auf ihn, als er Harrys Schwester getraut hat?«
Claire öffnete zweimal den Mund, um etwas zu sagen, schloß ihn jedoch wieder. »Du würdest es doch nicht verstehen«, sagte sie schließlich.
»Es war wohl wegen deiner Bemerkung, daß er ein Held ist, nicht wahr? Er war für dich ein Held, aber dann hast du gesehen, daß er ein ganz gewöhnlicher Mensch ist, nicht wahr?«
»Er ist weit davon entfernt, ein gewöhnlicher Mensch zu sein. Er ist...« Sie sah ihre Schwester scharf an. »Du mußt jetzt ins Bett.«
»Hast du mit Harry genausoviel Spaß wie mit Captain Baker?«
»Natürlich. Was für eine lächerliche Frage. Harry ist der Mann, den ich liebe. Ich möchte soviel Zeit mit ihm verbringen, wie ich kann. Captain Baker interessiert mich nicht. Er ist Harrys Verwandter, und ich muß nett zu ihm sein.«
»Du bist bloß nett zu ihm gewesen, als du ihn drei Tage gepflegt hast, wie?« Brat sah sie schlau von der Seite an. »Hast du ihm alle seine Kleider ausgezogen?«
»Hinaus!« sagte Claire. »Mach, daß du von hier verschwindest.«
Aber Brat rührte sich nicht von der Stelle. »Vorsicht, oder du wirst noch diesen alten Drachen wecken«, sagte sie und meinte damit Miss Rogers. »Hast du gehört, was passiert ist, nachdem Leatrice geheiratet hat?«
Claire wollte ihrer frühreifen Schwester sagen daß sie das nicht interessierte, aber das konnte sie nicht. »Nein«, sagte sie leise, »ich habe nichts gehört.«
»Die alte Hexe, die Herzogin, hätte fast der Schlag getroffen. Jedenfalls hatte sie einen Anfall. Sie soll Schaum vorm Mund gehabt haben.«
»Das ist schwer zu glauben.« Claire mochte ihre Schwester nicht zum Klatschen ermuntern, wollte aber dennoch alles wissen. »Harry sagte . . .«
»Harry weiß nichts davon. Er war auf der Jagd.« Brat warf Claire einen belustigten Blick zu. »Als Harry von der Jagd
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