Zwischen Leidenschaft und Liebe
kostbarer Harry nicht. Er ist so dumm ...«
Brat rollte sich vom Bett herunter, als Claire ihr an die Gurgel fahren wollte. Lachend wich sie aus. »Du bist so komisch, daß ich fast vergessen hätte, weshalb ich herkam. Erinnerst du dich an diesen Mann Jack Powell?«
»Der Mann, der behauptet, er sei in Pesha gewesen, während in Wirklichkeit Trevelyan derjenige war, der Pesha besucht hat?«
»Ja, der. Es stand heute ein Artikel in der Zeitung, daß Powell in Edinburgh einen Vortrag halten und den Beweis liefern würde, daß er - nicht Captain Baker - in Pesha gewesen sei. Die Zeitung nannte diesen Beweis un ... un ...«
»Unwiderlegbar?«
»Richtig. Niemand kann ihn anzweifeln.« Brat gähnte. »Sieht so aus, als ob dein Captain Baker nicht als der Entdecker von Pesha in die Geschichte eingehen wird.«
»Aber er hat Pesha entdeckt. Nur er hat die Stadt besucht, nicht dieser Powell. Sie können doch nicht...«
Brat gähnte abermals. »Ich dachte, das wäre dir egal. Du gehst doch mit Harry auf die Jagd. Ich schätze, ich gehe jetzt besser ins Bett. Vellie sagte, daß er vielleicht heute abend zu mir kommt und mir eine Geschichte vorliest.«
»Du hast kein Recht, ihn so zu nennen. Und was für eine Geschichte will er dir denn vorlesen?«
»Habe ich >vorlesen< gesagt? Er erzählt mir Geschichten. Wunderbare Geschichten, die alle von Pesha handeln. Du solltest ihn dazu bringen, daß er sie dir auch erzählt. Also dann - gute Nacht. Bis morgen.« Brat grinste. »Wenn du dein nasses Wollzeug anhast, wirst du mir hoffentlich nicht böse sein, wenn ich dir nicht zu nahe komme.« Brat nahm ihre Kerze auf, schob das Porträt zur Seite und verschwand im Geheimgang.
Claire verharrte einen Moment regungslos im Bett, ehe sie sich umdrehte und mit der Faust in die Kissen schlug. Trevelyan war ein schrecklicher Mann. Wirklich und wahrhaft schrecklich. Brat hatte gefragt, ob sie meinte, Trevelyan würde jemals heiraten. Er? Die Frau, die Trevelyan so liebte, daß sie ihn heiraten wollte, wäre zu einem elenden Leben verdammt. Sie würde einsam sein, weil er sie verlassen und allein auf die Reise gehen würde. Und während seine Frau zu Hause saß und sich schreckliche Sorgen um ihn machte, würde er ... er all die Sachen mit Frauen anstellen, die er in seinen Büchern beschrieben hatte.
Sie trommelte noch ein paarmal mit den Fäusten auf ihre Kissen ein und versuchte sich dann zum Schlafen hinzulegen. Aber sie konnte die Augen nicht schließen.
Helden, dachte sie. Es war eine Sache, einen Mann aus der Feme anzuhimmeln, aber eine ganz andere, ihm im Leben zu begegnen.
Am nächsten Tag, angetan mit ihrem Reitkostüm, das nie mehr trocken zu werden schien, ging Claire wieder mit Harry auf die Jagd. Sie marschierte mit ihm und seinem Gehilfen über sumpfiges Land, kletterte einen steilen, mit Heidekraut bewachsenen Hügel hinauf und kam schließlich zu einem hübschen Waldgelände. Sie hatte während des langen Fußmarsches kein Wort zu Harry gesagt, denn er hatte ihr eingeschärft, daß sie absolutes Stillschweigen bewahren müsse.
Als sie in den Wald eindrangen, flüsterte Harry seinem Begleiter etwas zu, und Claire blickte um sich. Nicht weit von ihr entfernt standen ein prächtiger Rehbock und drei Ricken. Claire lächelte beim Anblick dieser reizenden Szene. Sie beobachtete die sanften, liebenswürdigen Geschöpfe, die so ruhig und unbekümmert beisammenstanden.
In der nächsten Sekunde ging Harrys Gewehr neben ihr los, und der Rehbock sank zu Boden. Die drei Ricken flüchteten in den Wald.
Harry und sein Gehilfe waren begeistert und sprachen aufgeregt davon, daß das Tier mit einem Schuß erlegt worden war. Claire beobachtete, wie sie auf das große Tier zugingen, und sah, daß der Rehbock ein wenig den Kopf hob. Er lebte noch.
Sie rannte auf das Tier zu, lief an Harry und dem anderen Mann vorbei. Doch ehe sie den Rehbock erreichen konnte, dröhnte Harrys Gewehr zum zweiten Mal, und der Kopf des Rehbocks fiel auf den Boden.
Das war zuviel für Claire. Sie war zu erschöpft von den Jagden der letzten Tage, zu krank von dem Anblick toter Vögel und Tiere, die sie zu Hunderten hatte sterben sehen. Sie stand wie angewurzelt da und starrte auf den mächtigen Rehbock, der vor wenigen Minuten noch so lebendig und schön gewesen war. Nun lag er tot auf dem Boden. Und wofür? Harry brauchte das Tier nicht als Nahrungsquelle. Er hatte es getötet, weil Töten für ihn ein Sport war. Er hatte das Tier getötet, weil es ihm
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