Zwischen Leidenschaft und Liebe
zurückkam, gurrte die alte Dame wieder. Das tut sie natürlich immer, wenn Harry in ihrer Nähe ist. Aber ich habe gehört, daß sie demjenigen, der für Leatrices Eheschließung verantwortlich ist, den Tod androht. Ich glaube, sie versuchte ihre Tochter für irgend etwas zu bestrafen, und meinte, die Strafe sei noch nicht verbüßt.«
»Ich bin sicher, daß die Gerüchte, die du gehört hast, falsch sind.«
»Hmmm«, machte Brat. »Wenn Harry zwischen dir und seiner Mutter zu wählen hätte - für wen, glaubst du, würde er sich wohl entscheiden?«
»Ich werde diese Frage nicht beantworten.« Claire wollte nicht daran denken, wie die Antwort ausfallen würde.
Brat schwieg einen Moment. »Vermißt du Trevelyan?«
»Natürlich nicht. Ich bin den ganzen Tag beschäftigt.«
Brat lachte. »In der Küche sagen sie, daß dein Reitkostüm nie trocken wird. Es riecht so grauenhaft, daß sie es von anderen Kleidern getrennt in einem Raum aufhängen müssen.« »Dann werde ich eben ein anderes kaufen.«
»Und dann noch eines und wieder eines. Du wirst eine Menge Reitkostüme brauchen, wenn du Harry heiratest. Glaubst du, du wirst dein ganzes Leben mit ihm auf der Jagd verbringen?«
»Nein, natürlich nicht. Ich werde ...« Claires Stimme verebbte, als sie versuchte, sich auszudenken, was sie nach ihrer Heirat tun würde.
»Glaubst du, daß Captain Baker jemals heiratet?«
»Absolut nicht! Männer von seiner Sorte heiraten nie. Oder wenn doch, lassen sie ihre Frauen irgendwo weinend zurück, während sie ausziehen, um andere Orte zu erforschen und ... und andere Frauen.«
»Bist du sicher?«
»Ich kenne ihn sehr gut. Ich habe alles gelesen, was er geschrieben hat, und alles, was über ihn geschrieben wurde. Ich kenne ihn sehr, sehr gut.«
»Es war nett von ihm, Leatrice auf diese Weise zu helfen. Er riskierte eine Menge dabei. Ich möchte nicht wissen, was die alte Hexe ihm angetan hätte, wenn er im Gartenhaus entlarvt worden wäre.«
»Es war nicht seine Gutmütigkeit, sondern . . .« Claire schnitt eine Grimasse. »Ich weiß nicht, warum er es getan hat - sicherlich will er darüber schreiben.«
»Ich dachte, du hättest gerade gesagt, daß er über alles schreibt. Hast du die Zeichnungen gesehen, die er von dir angefertigt hat?«
»Ja.« Claires Kopf ruckte in die Höhe. »Wann hast du sie gesehen?«
»Gestern vormittag. Ich war bei ihm und ...«
»Du hast was gemacht? Ihn besucht?« Claire packte ihre Schwester am Ann. »Nach diesen vulgären Sachen, die er zu dir sagte? Ich traue ihm nicht. Ich kann dich nicht mit ihm alleinlassen...«
»Er ist ein sehr netter Mann und faßt mich niemals an, wenn es das ist, was dir Sorgen macht.«
Claire ließ den Arm ihrer Schwester los und lehnte sich in die Kissen zurück. »Nein - das würde er wohl nicht. Er ist ein ehrenwerter Mann - auf seine eigene seltsame Weise.« Und nach einer Pause: »Wie geht es ihm?«
Brat sah einen Moment nachdenklich zum Betthimmel hinauf. »Ich glaube, du fehlst ihm.«
Claire setzte sich kerzengerade auf. »Tatsächlich? Hat er das gesagt? Natürlich ist es mir gleichgültig. . . aber was bringt dich auf die Idee, daß er mich vermißt?« Claire dachte, selbst wenn man sie auf eine mittelalterliche Streckfolter spannte, würde sie nicht zugeben, wie sehr ihr Trevelyan gefehlt hatte. Er war natürlich ein unmöglicher Mann, mürrisch, zynisch, nörglerisch, und er stellte sie oft als dumm und kindlich hin, aber, bei Gott, wie sehr gab er ihr das Gefühl, lebendig zu sein! In Trevelyans Nähe war jeder Nerv in ihrem Körper lebendig. Er brachte sie dazu, ihren Verstand zu benutzen, er förderte Dinge in ihr ans Tageslicht, von deren Existenz sie gar nichts gewußt hatte. Er hatte in ihr den Glauben geweckt, daß sie mit ihrem Leben etwas anfangen könne - daß das, was sie empfand und dachte, Wert haben und etwas bewirken könne.
»Er hat nicht gesagt daß du ihm fehlst«, antwortete Brat. »Aber ich merke es ihm an.«
»Oh«, sagte Claire und lehnte sich in die Kissen zurück. »Ich habe ihn keineswegs vermißt. Ich bin recht glücklich mit Harry gewesen. Er will mir Schrotflinten kaufen. Sie haben silberne Schäfte, oder jedenfalls sind sie irgendwo aus Silber. Und vielleicht kauft er mir auch noch einen Hund.«
Brat lachte. »Du solltest dich mal sehen, wenn du von der Jagd zurückkommst. Du siehst aus wie eine ersäufte Ratte und scheinst die unglücklichste Person auf der Welt zu sein. Jeder kann das sehen - nur dein
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