Zwischen Leidenschaft und Liebe
etwas gebracht, das er einen Schießstand nannte - ein auf drei Seiten geschlossener, mit einem Dach versehener Unterstand -, und ihr bedeutet, still zu sein und kein Wort zu sagen. Es gab nichts, worauf man sich setzen konnte, und so mußte sie auf dem feuchten Boden Platz nehmen. Harry und ein Mann, der nichts anderes tat, als Harrys Schrotgewehre ständig nachzuladen, befanden sich am anderen Ende des Schießstandes und schossen den ganzen Tag auf Vögel.
Zehn Minuten, nachdem sie in diesem Unterstand angelangt waren, begann es zu regnen - kein Wolkenbruch, sondern ein ständiges Nieseln, das durch die Decke drang. Claire war binnen kurzem bis auf die Haut durchnäßt.
Harry fragte sie, ob sie nicht doch nach Hause zurückkehren wollte, aber Claire verneinte. Sie versicherte ihm, daß alles herrlich sei und daß ihr das bißchen Regen nichts ausmache. Sie wußte, daß er sie nie mehr mitnehmen würde, wenn sie sich schon beim ersten Mal wie ein Feigling benahm . . .
Um eins gab es einen kalten Lunch, und dann setzte Harry das Schießen fort. Er trug einen Tweedanzug, und sie konnte sehen, daß er ebenfalls durchnäßt wär, aber das schien ihm nichts auszumachen - ja, er schien es gar nicht zu bemerken. Claire dachte daran, was die Herzogin ihr über Harrys zarte Gesundheit erzählt hatte, aber er schien so robust zu sein wie ein Büffel.
Claire saß in einer Ecke des Schießstandes, während der Boden unter ihr und um sie herum von Minute zu Minute nasser wurde, zog die Knie an den Leib und schlang die Arme darum. Um sie herum dröhnten ständig die Schrotgewehre. Sie fragte sich, ob sie sich nicht von einem Tag Aufenthalt in einem regendurchlässigen Schießstand eine lebenslängliche Taubheit holen konnte.
Sie mußte niesen, und Harry drehte sich mit wütendem Gesicht zu ihr um. »Claire, wenn du nicht still sein kannst, mußt du nach Hause. Du erschreckst die Vögel mit deinem Niesen.«
»Wie kann ein Niesen die Vögel erschrecken, wenn tausend Schrotgewehrschüsse es nicht tun?« fragte sie, bevor sie nachdachte.
Sie sah, wie Harry und sein Gehilfe einen Blick wechselten, der zu besagen schien: »Das hat man nun davon, wenn man eine Frau auf die Jagd mitnimmt.«
Es war schon fast dunkel, als Harry endlich aufbrach. Claire hätte vor Erleichterung heulen mögen. Ihr war so kalt, daß sie Mühe hatte aufzustehen, zumal ihr Wollkleid mindestens einen halben Zentner mehr wog als am Morgen. Auch roch es wie ein nasser Hund.
»Ich glaube nicht, daß dir das Spaß gemacht hat«, meinte Harry. »Ladies haben noch nie Spaß an der Jagd . . .«
»Es war ein wunderschöner Tag für mich«, entgegnete Claire und unterdrückte ein Niesen. »Ein mich bereicherndes Erlebnis.«
Harry legte ihr den Arm um die Schultern und drückte sie kameradschaftlich an sich. »Ich kenne zwar ein paar englische Mädchen, die gern auf die Jagd gehen, aber mir ist noch kein amerikanisches begegnet, das daran Gefallen fand. Ich habe dich heute gern bei mir gehabt. Du bist ein angenehmer Jagdgenosse. Morgen geht es nach Norden zum Rebhuhnschießen. Und in ein paar Wochen werden wir auf Hirschjagd gehen. Aber du mußt still sein, wenn wir uns an Hirsche heranpirschen. Da geht es anders zu als heute.« Er drückte noch einmal ihre Schultern. »Claire, ich denke, wir beide werden ein perfektes Paar abgeben. Ich habe mir immer eine Frau gewünscht, die mit mir auf die Jagd geht. Ich war ein wenig besorgt, daß du dich zu sehr in Büchern vergraben würdest. Aber jetzt sehe ich, daß meine Sorge unbegründet war. Wenn wir verheiratet sind, können wir viele Tage zusammen erleben. Solche Tage wie heute.«
Claire nieste, und er klopfte ihr auf die Schulter. »Laß uns nach Hause reiten, damit du dir etwas Trockenes anziehen kannst. Morgen gehen wir auf Rebhuhnjagd.«
Harrys Miene hellte sich plötzlich auf, und er legte ihr die Hände auf die Schultern und drehte sie zu sich um. »Ich habe eine prächtige Idee! Ich werde dir ein Paar Schrotgewehre zur Hochzeit schenken. Deine eigenen Gewehre. Mit Silbergravur. Ich werde noch heute nach London schreiben und jemanden kommen lassen, der sie dir anpaßt. Die Schäfte müssen genau die richtige Größe für dich haben.« Er lächelte glücklich. »Ich freue mich immer mehr auf unsere Hochzeit.«
Claire bemühte sich nach Kräften, sein Lächeln zu erwidern, aber ihre Zähne klapperten zu sehr.
»Komm«, sagte Harry. »Wir werden dich mit einem hübschen heißen Tee versorgen.«
Claire
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