Zwischen Leidenschaft und Liebe
Bakers Biographie zu schreiben.«
Zu ihrem Verdruß schien das den Mann noch mehr zu erheitern.
»Tatsächlich? Haben Sie Harry schon von Ihrem Vorhaben unterrichtet?«
»Ja.« Sie wollte ihm jetzt nur noch mit einem schlichten Ja oder Nein antworten. Sie fand zwar nichts dabei, einem Fremden von ihrem Plan zu erzählen, aber was sich zwischen ihr und dem Mann, den sie liebte, abspielte, ging ihn nichts an.
»Ich verstehe. Sie wollen mir nicht sagen, was der junge Harry darüber denkt. Das Privatleben zweier Liebender ist ein heiliges Geheimnis, nicht wahr?« Er lächelte sie an, als sie ihm darauf die Antwort verweigerte. »Nun gut - dann erzählen Sie mir von diesem Captain Baker. Was hat er getan, daß Sie so eine hohe Meinung von ihm haben?«
»Er ist - war - ein Forscher. Nein, er war mehr als das: Er war ein Beobachter. Er suchte Orte auf, die noch kein gebildeter Mann vor ihm besucht hatte, beobachtete und zeichnete seine Erkenntnisse auf. Er war furchtlos bei seinen Reisen. Er war ein Mann, der alles über die Menschen auf diesem Planeten wissen wollte. Er war gut und freundlich und loyal zu seinen Freunden. Und als er starb, verlor die Welt einen großen Mann.«
Sie holte Luft und fuhr in erbittertem Ton fort: »Zu seinen Lebzeiten wurde er von der Welt nicht beachtet und nicht geschätzt. Ich beabsichtige, das zu ändern. Wenn ich erst einmal mit Harry verheiratet bin, will ich ein Buch über Captain Baker schreiben, das der Welt die Augen öffnen und ihr klarmachen soll, was für einen großen Mann sie verloren hat.« Sie schwieg einen Moment, um ihre Erregung ein wenig abklingen zu lassen, und stellte dann fest: »Ich glaube, daß sich der größte Nachlaß von Captain Bakers Papieren in Bramley House befindet.«
Trevelyan ging eine Weile stumm neben ihr her. »Sie haben vor, den jungen Herzog zu heiraten, um sich Zugang zu diesen Papieren zu verschaffen?«
Claire lachte. »Halten Sie mich wirklich für so gefühllos? Nein, ich heirate Harry, weil ich ihn liebe. Ich hatte diese Heirat schon in Betracht gezogen, bevor ich erfuhr, daß sein Bruder Captain Baker war . ..«
»... sein könnte«, verbesserte er sie.
»Ja, daß sein Bruder Captain Baker sein könnte. Den Plan, Bakers Biographie zu schreiben, faßte ich allerdings erst, nachdem ich Harrys Heiratsantrag angenommen hatte.«
»Und wann werden Sie Ihren Plan ausführen?«
»Wie meinen Sie das?«
Er lächelte sie an. »Wie wollen Sie neben Ihren vielen Pflichten als Herzogin noch die Zeit finden, dieses Buch zu schreiben? Dafür sind doch umfangreiche Recherchen erforderlich, oder nicht?«
Sie lachte. »Das ist wahr. Dieser Mann hat eine Unmenge von schriftlichen Zeugnissen hinterlassen. Abgesehen von einem runden Dutzend Bücher, die er veröffentlichte und die ich alle gelesen habe, würde ich, wie mir Harry erzählte, einen großen Stapel Kisten mit Aufzeichnungen und Briefen von seinem älteren Bruder in Bramley House vorfinden, die dort verschimmeln. Captain Baker schrieb nicht nur Hunderte von Briefen an seine angeblichen oder tatsächlichen Verwandten, sondern auch an seine vielen, vielen Freunde, die er überall auf der Welt besaß. Es gab eine Zeit, wo er blind war und es dennoch fertigbrachte, zu schreiben. Er brachte zwei parallel zueinander verlaufende Drähte an beiden Seiten eines Bretts an und verband diese durch einen dritten horizontalen Draht, der ihm als Orientierungshilfe für die rechte Hand diente, wenn er auf dem Papier, das er auf dem Brett befestigte, schrieb. Nichts konnte ihn vom Schreiben abhalten.«
Mit jedem Wort, das sie sprach, wurde Trevelyans Miene düsterer. »Ich dachte, Sie verehren diesen Captain Baker! Ich dachte, sie sagten, er sei ein großer Mann!«
»Das war er auch.«
»Und dennoch beschweren Sie sich darüber, daß er zuviel schrieb?«
»Das habe ich nicht getan!«
»Sie sagten, daß er an jeden x-beliebigen schrieb und so seine Briefe zu einer Dutzendware machte. Sie sind mir eine schöne Biographin, wenn Sie eine so schnöde Meinung von ihm haben!«
»Schnöde Meinung? Dutzendware? Versuchen Sie etwa, mir Worte in den Mund zu legen? Ich halte ihn für einen großartigen Mann, bin jedoch realistisch genug, neben seinen Stärken auch seine Schwächen nicht zu übersehen.«
»Tatsächlich? Sind Sie Captain Baker etwa persönlich begegnet, daß Sie seine Schwächen kennen?«
»Nein, natürlich nicht, aber...« Sie suchte nach Worten, die ihm begreiflich machen konnten, was sie meinte.
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