Zwischen Leidenschaft und Liebe
betrachtete Trevelyans dunkle Augen, seine breiten Schultern, seine Hände und die langen schlanken Finger. »Ich ...«, begann sie und mußte sich dann räuspern. »Natürlich sollte es nur für einen privaten Kreis von Lesern aufgelegt werden«, fügte sie in geschäftigem Ton hinzu. »Aber ich denke, es könnte viel Geld einbringen.«
Trevelyan lächelte ein wenig gönnerhaft. »Was wissen Sie denn schon vom Geldverdienen?«
Claire gab sein gönnerhaftes Lächeln zurück. Vielleicht lag es am Licht, aber in diesem Moment sah er nicht so alt aus, wie er ihrer Meinung nach sein mußte. »Im Gegensatz zu der britischen Art, das Geld zu erben, müssen wir Amerikaner es uns verdienen. In Amerika kann ein Mann - oder eine Frau -mit nichts anfangen und Millionen verdienen. Es bedarf dazu nur harter Arbeit und Weitblick.«
»Aber Sie werden sich das Geld erheiraten, wenn Sie den jungen Herzog ehelichen.«
»Sie scheinen Ihre Familie nicht sehr gut zu kennen, sonst wüßten Sie, daß Harry keinen Penny besitzt.« Sie drehte sich wieder von ihm weg und setzte die Beine auf den Boden. »Ich danke Ihnen vielmals, Mr. Trevelyan, daß Sie mir das Manuskript geliehen haben. Es war außerordentlich interessant. Aber jetzt muß ich gehen. Es ist bestimmt schon spät, und ich . ..« Sie brach ab, als sie auf ihre Uhr blickte. »Kurz vor sieben! Ich werde das Dinner versäumen, wenn ich mich nicht spute.« Sie legte das Manuskript auf den nächstbesten Tisch, rief noch einmal »Danke« und rannte die Treppe hinunter.
Kaum war sie gegangen, als Oman schon im Zimmer erschien und Claires Tablett und Geschirr abräumte. Trevelyan blickte auf ihr leeres Whiskyglas und das Manuskript, das sie gerade gelesen hatte. »Sie mag Whisky und Bücher über Sex«, sagte er leise und lächelte.
»Sie ist eine Schönheit«, sagte Oman in seiner Heimatsprache - eine Sprache, die sich Trevelyan durch ein langes mühsames Studium angeeignet hatte.
»Sie gehört meinem Bruder«, sagte Trevelyan und wandte sich von Oman ab. »Sie gehört zu seiner Welt, nicht zu meiner . . .«
5. Kapitel
Nach einem langen und zugleich langweiligen Dinner forderte Harry Claire auf, mit ihm in den Garten zu gehen. Sie war sehr vergnügt, denn während des Dinners hatte sie nur an den Tag gedacht, der hinter ihr lag - und den Mann, mit dem sie ihn verbracht hatte. Das war ein so seltsamer Mann - so ganz anders als die Männer, die sie kannte -, und er löste eine ganze Palette von Gefühlen in ihr aus! Eben hatte sie ihn noch gehaßt, und im nächsten Moment betrachtete sie seine .. . Hände.
»Du hast heute bei Tisch besonders reizend ausgesehen«, sagte Harry. »Als befändest du dich in einer schönen Traumwelt. Wem habe ich das zu verdanken?«
»Oh«, log sie, »eigentlich niemandem. Ich mußte nur an etwas denken, was ich heute gelesen habe.« Sie war froh, daß sie, trotz der Kälte, die in den großen, zugigen Räumen des Hauses herrschte, eines von ihren gewagteren Kleidern zum Dinner angezogen hatte. Es ließ ihre Schultern und Arme frei. Wenn dieses Gewand ihr ein Kompliment von Harry eintrug, wollte sie dafür sogar gern ein paar Frostbeulen in Kauf nehmen.
»Dann hat man dich also endlich in die Bibliothek hineingelassen?«
Sie blieb stehen und blickte zu ihm auf. »Woher weißt du denn von dieser Geschichte?«
Er lächelte nur, legte ihre Hand auf seinen Arm und setzte seinen Weg durch den Garten fort.
»Harry, glaubst du, daß Männer und Frauen Freunde sein können?« fragte sie.
»Ja«, meinte er vorsichtig.
»Sind wir Freunde? Ich meine, können wir — du und ich — über Dinge reden?«
»Was versuchst du mir damit zu sagen?« fragte er mißtrauisch.
Sie holte tief Luft. »Darf ich, wenn ich Herzogin bin, die jetzt geltenden Regeln ändern? Darf ich den Leuten gestatten, auf ihren Zimmern zu essen und die Küchenräume aufzusuchen, wenn sie es möchten? Darf ich ihnen erlauben, bei den Mahlzeiten zu reden?«
Harry lachte vorsichtig. »Natürlich darfst du das. Wenn du Herzogin bist, darfst du machen, was du willst. Es ist dann dein Haus.«
»Darf ich den Westflügel umbauen lassen?«
Harry schwieg einen Moment. »Was weißt du vom Westflügel?« Als sie den Kopf senkte und ihm keine Antwort gab, blieb er abermals stehen und hob mit den Fingerspitzen ihr Kinn an, so daß sie ihm ins Gesicht schauen mußte. »Hast du Trevelyan wiedergesehen?«
Er lächelte über ihre betroffene Miene. »Ich sagte dir doch, daß ich alles weiß, was
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