Zwischen Leidenschaft und Liebe
Warum nicht Ihr kostbarer Harry?«
»Dies ist jetzt nicht die richtige Zeit zu streiten. Irgend etwas muß geschehen, damit MacTarvit diesem Land erhalten bleibt. Sie können nicht einen Mann wegschicken, der seit Generationen dieser Familie treu gedient hat. Was würden Ihre Vorfahren wohl dazu sagen?«
»Meine Vorfahren würden vermutlich sagen: >Seid froh, daß ihr ihn los seid.< Denn obwohl Sie zu glauben scheinen, daß er ein liebenswürdiger alter Mann ist, der von unserer Familie verfolgt wird, sind die MacTarvits in Wahrheit schon immer die unfreundlichsten, verbohrtesten und aufsässigsten Leute der Welt gewesen. Sie stellen zwar Whisky her, verkaufen ihn aber nicht. Wir müssen ihn uns mit Gewalt holen. Wir müssen ihn stehlen.«
»Wie er sich seine Nahrungsmittel von Ihnen stehlen muß.«
Trevelyan erhob sich. »Sie brauchen mich gar nicht so wütend anzufunkeln! Ich sehe nicht ein, warum ich mich auf den weiten Weg zu seinem Haus machen soll, wenn ich dort mit einer Gewehrkugel empfangen werde. Ich habe genug mit meiner Arbeit zu tun und bin nicht bereit, meine kostbare Zeit an einen übellaunigen alten Mann zu verschwenden.«
Sie folgte ihm ins Wohnzimmer. »Schlechte Laune ist doch Ihre starke Seite. Sie müßten sich eigentlich großartig mit diesem MacTarvit verstehen.«
»Aber ich versteh’ mich nicht mit ihm. Niemand versteht sich mit ihm. Keiner ist jemals mit den MacTarvits ausgekommen. Der Himmel stehe dem Land bei, in das die Söhne des alten MacTarvit ausgewandert sind.«
»Vermutlich nach Amerika. Amerika schätzt Männer, die echte Männer sind.«
Trevelyan winkte wütend ab. »Ich gehe nicht zu MacTarvit - weder Ihnen noch Ihrem teuren Herzog zuliebe! Und jetzt setzen Sie sich dort drüben auf die Fensterbank, und lesen sie etwas, wie es sich für ein braves Mädchen gehört. Oman wird Ihnen später etwas Leckeres zum Lunch servieren, und von mir bekommen Sie ein großes Glas Whisky.«
»MacTarvits Whisky?« schnaubte sie.
»Tatsächlich stammt der Whisky von ihm. Möchten Sie die Wunde von dem Streifschuß sehen, den mir MacTarvit mit einer Gewehrkugel am Bein verpaßt hat?«
»Wollen Sie damit sagen, daß Sie diesen Whisky von MacTarvit gestohlen haben?«
»Natürlich habe ich ihn gestohlen! Anders hätte ich ihn doch gar nicht bekommen. Das gehört zu den verdammten Traditionen, von denen Sie so schwärmen!«
»Sie brauchen nicht zu brüllen. Ich bin nicht schwerhörig. Wenn Sie ihn nicht besuchen wollen, werde ich es tun.«
»Sie würden sein Haus niemals finden. Nur Harry und ich wissen, wo er wohnt.«
»Und Sie wollen nicht zu ihm gehen? Sie wollen nichts unternehmen, um die Herzogin daran zu hindern, den alten Mann aus seinem Heim zu vertreiben?«
»Das zu verhindern ist nicht meine Sache. Ich bin hier nur auf Besuch, wenn ich Sie daran erinnern darf. Ich möchte gesund werden, ein bißchen schreiben und dann wieder abreisen. Dieses Haus bedeutet mir nichts.«
Sie blickte ihn lange an. »Nach allem, was Harry für Sie getan hat? Nachdem er Ihnen diese beiden Zimmer überlassen und niemandem verraten hat, daß Sie hier Unterschlupf gefunden haben. Sie sind ein undankbarer Mensch, Sir.« Damit drehte sie sich der Treppe zu.
»Wo wollen Sie hin?«
»Den Tag mit anderen Leuten verbringen. Wenn Ihnen Ihre Zeit zu kostbar ist, um sie mit anderen zu teilen, dürfen Sie sie gern behalten. Ich werde Sie bestimmt nicht mehr belästigen.« Als sie die Treppe hinunterstieg, hörte sie ihn noch sagen: »Nun komme ich endlich zu meiner Arbeit«, und Claire setzte mit hocherhobenem Kopf ihren Weg fort und begab sich in den Garten.
Dort wanderte sie eine Weile umher, aber sie langweilte sich. Der gestrige Tag war so schön gewesen, als sie etwas zu lesen gehabt hatte und jemanden, mit dem sie reden konnte. Jetzt war sie wieder allein.
Sie setzte sich auf eine Bank und betrachtete den kleinen See, den ein Vorfahr von Harry vor ungefähr hundert Jahren angelegt hatte. Sie hatte das Gefühl, daß sie mit ihren Bemühungen, sich an ihren zukünftigen Stand zu gewöhnen, nicht recht vorankam. Sie wünschte sich, sie hätte mehr von der geselligen Natur ihrer Mutter und von ihrem Talent, sich jeden Fremden sogleich zum Freund zu machen.
»Da bist du ja!«
Claire blickte auf und sah ihre jüngere Schwester vor sich stehen. »Du trägst meine Ohrringe«, stellte Claire nüchtern fest.
»Was fehlt dir denn? Vermißt du deinen Liebhaber?«
»Wo hast du diese häßlichen Ausdrücke
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